Du wirst die Schönste sein - Ein Mallorca-Roman (German Edition)
du nicht?“
Ich verkniff mir die Bemerkung, ein Mann könnte zwar feurig wie ein Flamencotänzer aussehen und trotzdem eine Schlafmütze sein. Stattdessen erkundigte ich mich, ob sie sich vorstellen könnte, in eine südspanische Großfamilie einzuheiraten.
„He! Spinnst du?“ Agnes lachte.
“Wieso spielt es dann eine Rolle, ob Roddy verheiratet ist?“
Agnes riss erstaunt die Augen auf. „Na hör mal, würdest du vielleicht deinen Herzallerliebsten mit einer anderen teilen wollen?“
..“Nie im Leben.“
Agnes drehte sich um und blickte zu mir hoch. „Na also. Und was ist mit dir? Willst du immer noch studieren, wenn hier Schluss ist oder ... oder ...?“
Mir war klar, worauf sie hinauswollte.
„Jetzt spinnst du.“
„Schau mir in die Augen.“
Ich tat, was Agnes verlangte.
„Du hast geblinzelt, ha!“ trompetete sie los.
Okay, hatte ich.
Merkwürdig, je weniger ich über Ernesto redete, eigentlich so gut wie gar nicht – nicht einmal über den Flug nach Ibiza hatte ich ein Wort verloren – umso mehr war sie davon überzeugt, dass sich zwischen Ernesto und mir etwas Ernsthafteres entwickelte. Hatte sie hellseherische Fähigkeiten, wünschte oder neidete sie ihn mir?
„Nacht, Alte“, sagte ich gähnend und zupfte an Agnes’ Locken, obwohl mir klar war, dass sie zu gerne noch weiter über andere Leute, also speziell über mich, und ihre sentimentalen Verwicklungen gequatscht hätte.
Meine Müdigkeit war nur gespielt, aber ich sehnte mich nach meinem Bett. Mit geschlossenen Augen lag ich da und suchte nach bestimmten Bildern. Als erstes stellte ich mir eine einsame Strandbucht vor, umrahmt von wilden zerklüfteten Felswänden. Nein, das war nichts, viel zu gewöhnlich. Weg damit! Buchten zwischen Felsformationen gab es doch jede Menge auf Mallorca.
Das nächste Bild zeigte eine schnuckelige kleine Jacht. Theoretisch ein recht hübsches Bild, ein Liebespaar ausgestreckt auf einem sich sanft wiegenden Sonnendeck und darunter unendlich tiefes Wasser. Um Gotteswillen, bloß weg damit. Die Tiefsee unter mir, davor grauste es mir.
Als nächstes tauchte eine kleine Insel auf, ein kleiner grüner Hügel, der aus dem Wasser ragte, sandig, steinig, wild. Gemeinsam würden Ernesto und ich das kleine Eiland durchstreifen, nicht Hand in Hand, höchstens wenn wir ein felsiges Stück übersteigen mussten. Aber wir waren uns ständig so nah, dass unsere Schultern sich immer wieder berührten.
So klein die Insel auch war, um sie zu umrunden, mussten wir doch ein ziemliches Stück laufen und so stiegen wir schließlich auf eine kleine Anhöhe, um uns auf dem duftenden Wildkräuterteppich im Schatten eines alten, knorrigen Olivenbaumes auszuruhen. Während ich mich nur setzte, lehnte Ernesto sich auf seine Ellbogen zurück.
Hatten wir einen Picknickkorb mitgenommen? Nein und auch keinen Schampus. Unsere Zweisamkeit in der Einsamkeit des Inselchens war uns Luxus genug.
Ernesto drehte sich seitlich und dann spürte ich seine Finger spielerisch über meinen Rücken wandern. Ich schloss die Augen und gab mich ganz seiner Berührung hin. Köstliche kleine Stromschläge, von denen ich nicht genug bekommen konnte. Trotz meiner weiterhin fest geschlossenen Augen entging mir nicht, dass Ernesto sich jetzt aufgesetzt hatte, ich spürte seine größere Nähe, seinen Atem an meiner Wange und dann spürte ich seine Lippen, mit sanftem Picken meine berührend. Ich folgte diesem Spiel bis wir, so gut wie gleichzeitig, die Berührung unserer Lippen verstärkten, aber sie weiterhin gegenseitig umspielten. Mein Arm legte sich um Ernestos Nacken, wobei ich den kräftigen, buschigen Haaransatz spürte – Halt! Falscher Film! – Anstatt eines buschigen Haaransatzes fühlte ich feine, weiche Haarspitzen. Und da unsere Lippen und Zungen immer heftiger ineinander verschmolzen – Gott, wie kitschig! – wurde jedenfalls ein wahrer, schöner, ehrlicher, sehnsüchtiger Kuss daraus.
Ich seufzte tief.
So oder so ähnlich würde es sich vermutlich abspielen, wenn Ernesto und ich uns zum ersten Mal küssen würden. Da meine imaginäre Insel ihren Zweck erfüllt hatte, ließ ich ihr Bild allmählich in meinem Kopf verblassen.
Dass ich mich glücklich fühlte in dem Moment, versteht sich von selbst. Schließlich war mir bewusst, dass Ernesto und ich als reales Liebespaar noch ganz am Anfang standen, nicht nur der erste Kuss, wir hatten noch unendlich viel mehr vor uns. Ich sehnte mich danach.
In Panik wand ich mich in
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