Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weisser
VORWORT
Es ist das Jahr, in dem ein ganzer Kontinent ein Heimspiel hat. Unwichtig, dass Südafrika der Gastgeber ist, Grenzen verwischen in den Wochen der Fußball-Weltmeisterschaft, denn darauf hat Afrika, seine 800 Millionen Menschen in 53 Staaten, sehnsüchtig gewartet: dass es nicht nur mitspielen darf, dass es nicht mehr nur Komplimente kassiert für die zauberhaften Auftritte seiner Mannschaften und ein paar Fördergelder obendrein, sondern dass die Welt zu Besuch kommt, endlich, nach Jahrzehnten leerer Versprechungen.
Es geht um eine Geste, um ein Zeichen. Es geht um Respekt für einen Erdteil, um Teilhabe, um Anschluss an die westliche Welt. Nichts in Afrika besitzt solch eine Magie, solch eine gewaltige Symbolkraft wie der Fußball.
Ich bin im Winter 2009 mehrere Monate durch Afrika gereist, durch Ghana und die Elfenbeinküste, die zu den stärksten Fußballnationen des Kontinents zählen. Ich war auf Sansibar, wo alles begann, wo britische Besatzer eine Missionarsschule gründeten und den Fußball von dort aus nach ganz Zentral- und Ostafrika brachten. Ich habe in Südafrika recherchiert, in den Townships des Western Cape, und wo immer ich auch war, habe ich gespürt, welch große Hoffnungen, ja welche Erlösungsfantasien sich in Afrika mit dem Fußball verknüpfen.
Und deshalb ist er auch so verführerisch, deshalb wird der Fußball auch so oft benutzt, von Agenten zum Beispiel, die sagen, sie hätten beste Kontakte zu Manchester United oder zu Inter Mailand, und die ihre jungen afrikanischen Spieler dann abschieben in die zweiten und dritten Ligen Osteuropas, für ein paar Hundert Euro Provision.
Die Geschichte des Fußballs in Afrika ist von Anfang an die Geschichte eines Missbrauchs, und davon erzählt dieses Buch. Mein Anliegen ist es, Verzerrungen in der Wahrnehmung zu beschreiben, denn diese machen den Missbrauch erst möglich. In den Augen Europas ist Afrika oftmals der geschundene, dunkle Kontinent, das Herz der Finsternis. Oder aber es ist farbenfroh, etwas naiv und ungebildet, aber doch so fröhlich und so vital. Zwischen diesen beiden Polen scheint es nichts zu geben.
Umgekehrt ist Europa in den Augen Afrikas das Paradies. Hier bleibt kein Wunsch unerfüllt, täglich bieten sich neue Chancen, man muss nur hart genug arbeiten - das ist Europa, und Fußballer glauben besonders fest daran und wollen fort aus Afrika. Sie haben sich in ein Leben verliebt, das sie zu kennen glauben, aus dem Satellitenfernsehen, die englische Premier League läuft dort in einer Endlosschleife, aus den Schnipseln bei Youtube, aus den Erzählungen von Freunden und Bekannten. Es gibt immer einen, der es geschafft hat in Europa. Oder vorgibt, es geschafft zu haben.
Was die Legenden vom goldenen Fußball Europas auslösen, welche Wanderung, welche Schicksale, welche Entwurzelungen, welche Heimatlosigkeit, das versuche ich in einer Reportage aus Saint-Denis zu schildern. Ich bin den Wegen gescheiterter afrikanischer Fußballer gefolgt, an den Stadtrand von Paris, auf einen
vollgemüllten Kunstrasenplatz, wo Hunderte Spieler auf eine letzte Chance hoffen. Auf einen Talentscout, der sie doch noch ans Licht holt, nach Monaten und Jahren ohne Vertrag, denn zurück nach Afrika kann hier niemand - das wäre ein Gesichtsverlust, eine Niederlage für die ganze Familie. Sie braucht das Geld aus Übersee.
Viele Wunden schlägt sich der afrikanische Fußball selbst, es ist nicht so, dass allein ein vermeintlich funkelndes Europa und seine sich kolonial gebärdenden Agenten der Grund allen Übels wären. Das zeigt ein Besuch im Land des deutschen Vorrundengegners Ghana. Asante Kotoko gilt zwar noch immer als der ruhmreichste Klub des Landes, aber er liegt schon seit Jahren danieder. Er wird ausgeschlachtet vom eigenen Management, jede Saison aufs Neue, Geld verschwindet in dunklen Kanälen, und irgendwann kommt eine neue Führungsriege und verspricht, es besser zu machen, und nichts wird besser, wieder nicht. Das ist der Lauf der Dinge beim Asante Kotoko Football Club, gegründet 1935.
Es gibt Gegenbewegungen in Afrika, starke sogar, in Ghana sind zwei Männer angetreten, die Liga zu modernisieren, transparenter und fairer zu machen. Auch davon berichte ich. Und von der Fußballschule Sol Béni in Abidjan, Elfenbeinküste, einem Musterbeispiel für Nachwuchsförderung in Afrika. In Sol Béni beginnen die Karrieren der Hoffnungsvollen, hier werden Talente behutsam auf Europa vorbereitet. Mehr als die Hälfte der ivorischen
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