Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Düsterbruch - Almstädt, E: Düsterbruch

Düsterbruch - Almstädt, E: Düsterbruch

Titel: Düsterbruch - Almstädt, E: Düsterbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Almstädt
Vom Netzwerk:
dauert noch etwas.«
    »Es ist wahrscheinlich nur Hühnerblut«, sagte Pia. »Aber besser, wir prüfen das nach.«
    »Hühnerblut? Mal was Neues …«
    »Ich wünschte, es gäbe einen Abschiedsbrief«, sagte Pia. »Bisher haben wir kein Motiv für die Tat.«
    »Vielleicht war sie unheilbar krank? Warte erst mal den Obduktionsbefund ab.«
    »Das hätten die Angehörigen doch bestimmt gewusst. Irgendwas muss eine Kurzschlusshandlung ausgelöst haben.« Hühnerblut?, dachte Pia. Das war grotesk.
    »Meistens bleibt uns nichts anderes übrig, als die Entscheidungen unserer Mitmenschen zu akzeptieren.« Schelling klang resigniert.
    Als das Gespräch beendet war, starrte Pia noch einen Moment auf den Hörer. Das Kind in ihrem Bauch strampelte.
    Dr. Godewind hatte in einem Nachbarort von Düsterbruch seine Praxis. An diesem Dienstagvormittag war das Wartezimmer gerammelt voll, trotzdem gelang es der Arzthelferin, ihnen kurzfristig zu einem Gespräch mit dem gefragten Arzt zu verhelfen.
    Er war zunächst sichtlich irritiert, zwei Beamte von der Kriminalpolizei in seinem Sprechzimmer vorzufinden, hatte sich aber schnell wieder im Griff. Dr. Godewind verfiel in den jovialen Tonfall, mit dem er wohl auch seine Patienten nervte. Er sei lange Jahre Hedwig Seesens Hausarzt gewesen, erzählte er, aber er habe nie eine behandlungsbedürftige Depression bei ihr festgestellt. Und auch organisch sei sie gesund gewesen wie der sprichwörtliche Fisch im Wasser. Doch Klagen könne man sowieso nicht erwarten bei einer Frau ihres Alters und ihrer Herkunft. »Die kommen immer erst, wenn der Kopf schon ab ist«, meinte er. »Das ist hier auf dem Land nicht ungewöhnlich.«
    Als er Hedwig Seesen am Morgen nach ihrem Tod untersucht hatte, war sie nach seiner Einschätzung schon mindestens zwei Stunden tot gewesen, eher länger. Sie hatte sich die Pulsadern aufgeschnitten, das hatte er sofort gesehen. Recht fachmännisch, seiner Einschätzung nach. Das Ganze sei ja gar nicht so einfach … Die meisten Menschen wussten nicht, wie sie schneiden mussten. Hedwig Seesen war mal Schwesternschülerin gewesen, hatte er gehört, daher ihre Kenntnisse. Zwei oder drei Probeschnitte, dann das Öffnen der Schlagader mit einem Rasiermesser, ein Gefäß mit warmem Wasser. Das war’s. Der Arzt wirkte bei dieser Feststellung durchaus zufrieden mit sich und der Welt.
    Als Pia Godewinds Praxis verließ, war sie geneigt, die Einschätzung von Carola von Alsen zu teilen.
    Mona Falke wohnte in einer Reetdachkate, die an einem unbefestigten Feldweg nahe der Düsterbrucher Kirche lag. Die Kate stand eng an den Wald geduckt, der zum Grundstück der von Alsens gehörte. Das Fachwerkgebäude war ein früher Repräsentant eines Doppelhauses. Die linke Haushälfte sah vernachlässigt und unbewohnt aus. Rechts hingegen strahlten blank geputzte Scheiben, hinter denen sich schneeweiße Vorhänge bauschten. Stiefmütterchen und Narzissen säumten in sauber geharkten Beeten den Plattenweg, der zur Haustür führte.
    Pia betätigte den Türklopfer. Sie und Broders mussten den Kopf einziehen, um nicht gegen die ausladende Kante des Reetdaches zu stoßen.
    Mona Falke war eine dünne Frau mit kurzem Haar in der Farbe von Kidneybohnen. Auf der Packung des Haarfärbemittels hatte sicherlich so etwas wie Kastanie oder Mahagoni gestanden, dachte Pia.
    Das Wohnzimmer, in das sie geführt wurden, war klein, mit einer niedrigen Zimmerdecke und zu vielen Möbeln. Der Kamin, in dem ein künstliches Feuer flackerte, erinnerte Pia an die Puppenstube ihrer Kindheit.
    »Arme Hedwig.« Mona Falke nahm ihnen gegenüber Platz. »Ich grüble und grüble, aber ich weiß einfach nicht, was vorgestern in sie gefahren ist.«
    »Beschreiben Sie uns bitte, was am Tag vor ihrem Tod passiert ist!«
    »Ich war gerade dabei, ein paar Hähne zu schlachten. Das Radio im Stall war an, deshalb habe ich es nicht gehört, als sie reingekommen ist.«
    »Wissen Sie, um wie viel Uhr das war?«
    »Die Nachrichten fingen kurz darauf an. Es muss ziemlich genau vier Uhr gewesen sein.«
    »Was passierte dann?«
    »Ich hatte das Tier nicht richtig erwischt. Die Halsschlagader, wissen Sie? Es spritzte. Ich wollte den geköpften Hahn gerade vom Hackklotz werfen … Die toten Vögel zappeln immer noch, und manche drehen noch ’ne Runde … Na ja. Da stand Hedwig plötzlich neben mir. Geradezu angeschlichen hatte sie sich. Ich hab mich ziemlich erschreckt!« Sie fasste sich an die linke Brust. »Und dann sah ich, dass Hedwig

Weitere Kostenlose Bücher