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Dumm gelaufen: Roman (German Edition)

Dumm gelaufen: Roman (German Edition)

Titel: Dumm gelaufen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Matthies
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unvorbereitet. Ich schaue rasch wieder aus dem Fenster, um meine Rührung zu verbergen, und genieße den Anblick der Natur. Sieht aus, als wäre die Welt gerade in Silvesterstimmung.
     
    In Hoppegarten herrscht Volksfestatmosphäre. Da am Himmel nicht die kleinste Wolke zu sehen ist, sind unzählige Familien auf dem Gelände unterwegs. Nicht nur die Pferde und Jockeys leisten heute Schwerstarbeit, auch an den Wurstständen, Biertheken und Kuchentresen wird geschuftet, was das Zeug hält, um den Publikumsansturm zu bewältigen. Selbst die Kinder müssen anstehen, wenn sie einen Platz auf der Hüpfburg, dem Klettergerüst oder einem der gelangweilten Führponys ergattern wollen.
    Während Phil mit Ann-Sophie und ihrem Vater spricht, vertrete ich mir die Beine bei den Pferdeboxen. Hier ist von dem quirligen Durcheinander, das im Publikumsbereich herrscht, nichts zu spüren. Im Gegenteil. Es herrscht angenehme Ruhe.
    »Sie haben euch eine Menge zu verdanken. Und ich übrigens auch.«
    Die Bemerkung stammt von Angel Eyes, die über das Tor einer der Boxen hinweg Phil, Ann-Sophie und den alten Uckermark beobachtet.
    »Was machst du denn hier?«, frage ich erstaunt und freue mich, dass Angel Eyes einen aufgeräumten, ja fast zufriedenen Eindruck macht. »Ich hätte geschworen, dass du nie wieder einen Huf auf eine Rennbahn setzt.«
    Melancholisch wiegt sie den Kopf hin und her. »Noch vorgestern hätte ich das auch geschworen«, erwidert sie. »Aber dann ist etwas sehr Schönes passiert. Der alte Uckermark hat ein Pferd gekauft. Ein noch sehr junges, aber auch ein schon sehr begabtes Rennpferd. Es wird übrigens heute sein erstes Rennen laufen. Sein Name ist Angel Star, und ich glaube, er hat es Ann-Sophie zum Geschenk gemacht, damit sie leichter über den Verlust von Stardust hinwegkommt. In gewisser Weise hat er es aber auch mir geschenkt.«
    Ich lege den Kopf schief und warte auf die Pointe.
    »Jetzt, wo ich Stardust nicht mehr zu seinen Rennen begleiten kann, soll ich wohl zumindest eine seiner Töchter moralisch unterstützen«, fährt Angel Eyes fort. »Und das mache ich sehr gern, weil Angel Star …«
    Ich sehe, dass ihr eine Träne der Rührung aus dem Augenwinkel rollt.
    »… auch meine Tochter ist. Sie ist als Fohlen an einen anderen Stall verkauft worden, weil Uckermark dringend Geld brauchte.«
    »Wow«, sage ich und bin jetzt ebenfalls gerührt. Ich schaue mich zu Phil um, der gerade von Ann-Sophie aus einer innigen Umarmung entlassen wird, um jetzt auch vom alten Uckermark fest ans Herz gedrückt zu werden.
    Ob Phil weiß, dass das Geld der Versicherung auch dabei hilft, Angel Eyes ihren Seelenfrieden zurückzugeben?
    Für einen kurzen Moment denke ich, dass Angel Eyes meinen Gedanken errät, denn ich höre sie sagen: »Apropos. Ich bin euch beiden noch das Honorar schuldig.«
    Langsam drehe ich mich zu ihr um.
    Sie schnaubt amüsiert, als sie mein fragendes Gesicht sieht.
    Wenig später treffe ich Phil an einem uneinsehbaren Platz neben der Tribüne. Wie er gleich unser Honorar kassieren wird, muss ich ihm noch erklären.
    Die Sache gestaltet sich allerdings schwierig, denn mein Partner weigert sich blöderweise, tausend Euro auf den Sieg von Angel Star zu setzen. Auch der Hinweis darauf, dass die junge Rennteilnehmerin die Tochter von Stardust und Angel Eyes ist, beeindruckt Phil nicht im mindesten.
    »Tausend Euro sind eine Menge Kohle, Ray. Die wirft man nicht einfach so aus dem Fenster, weil man einen Tipp von einem Pferd bekommen hat, das nicht einmal an dem zur Debatte stehenden Rennen teilnimmt.«
    »Wenn du auf einer Pferderennbahn einem Pferd nicht vertrauen willst, wem denn bitte dann?«, kontere ich.
    Phil stutzt. »Wie wäre es mit: dem gesunden Menschenverstand?«
    »So kommen wir nicht weiter«, stelle ich fest. »Wenn du die Kohle nicht ausgeben willst, dann setzte doch wenigstens meinen Anteil vom Versicherungsfall.«
    »Welchen Anteil, Ray? Es gibt keinen Anteil.«
    »Aber nur weil du beschlossen hast, die Sache unter den Tisch fallen zu lassen. Und das zudem, ohne mich zu fragen. Wie hoch wäre unsere gemeinsame Prämie eigentlich gewesen?«
    Phil atmet tief durch und verschränkt die Arme vor der Brust. »Was soll diese Tour denn nun wieder? Willst du mich verklagen, oder was?«
    Ich versuche, ebenfalls die Vorderbeine vor der Brust zu verschränken, was mir aber nicht gelingt. Manchmal sind anatomische Gesetzmäßigkeiten etwas nervig. Weil ich meine Vorderläufe nicht verschränken

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