Dunkle Verlockung (German Edition)
Hause war, damit Amariyah Zeit hatte, sich zurechtzumachen. »Fen ist sehr klug«, sagte sie zu dem Mann, der ohne anzuklopfen ihr Zimmer betreten hatte. »Ich weiß nicht, ob er die Geschichte mit der Geschäftsreise glaubt, wenn er erst einmal gesehen hat, wie eingefallen sie aussieht.« Blut und Schlaf würden Amariyah wieder auf die Beine bringen, doch das würde Stunden dauern.
»Christian hat mir gerade eine Nachricht geschickt, die besagt, dass er in der Stadt eine Verzögerung eingefädelt hat – sie werden dort übernachten.«
»Gut.« Sie stand mit dem Rücken zu ihm, wissend, dass er auf seine Fragen Antworten verdiente. Nicht, weil er ihr Wolf war, sondern weil er langsam mehr für sie wurde – etwas, das sie nie erwartet hätte.
Jetzt sagte er: »Ich habe dir etwas zu essen gebracht.«
Als Amariyah aus ihrem Blickfeld verschwand, drehte sie sich um und sah ihm in die Augen, die im dämmrigen Licht des ausklingenden Tages aufregend hell strahlten. »Glaubst du, du könntest mich einfach mürbe machen, damit ich die Dinge auf deine Weise angehe?«
»Natürlich.« Sein unerwartetes Lächeln ließ die Kälte schmelzen, die sich seit der Bestrafung in ihren Adern eingenistet hatte, und ihr Körper erinnerte sich wieder daran, dass sie nicht nur eine Kreatur mit einer entsetzlichen Macht war, sondern auch ein weibliches Wesen. »Immerhin bin ich ein Mann.«
Ihr war bewusst, dass sie seinem Charme erlag, doch sie konnte nicht widerstehen, und so folgte sie ihm in ihr privates Speisezimmer, wo er ein Tablett mit Obst, Sandwiches und Keksen angerichtet hatte. »Das ist keine Mahlzeit, die einem Engel angemessen wäre«, sagte sie, als er ihr einen Stuhl zurechtrückte.
»Ich sehe dein Lächeln, Lady Nimra.« Er drückte ihr einen Kuss in den Nacken. Eine so aufreizende Intimität hatte sie ihm nicht gestattet.
»Du bewegst dich auf gefährlichem Terrain, Noel.«
Mit festem, sicherem Griff ließ er seine Daumen über die Sehnen an ihrem Hals gleiten. »Ich war noch nie der Typ für den bequemsten Weg.« Sie spürte seine Lippen an ihrem Ohr und seinen Körper groß und fest an ihrem, während er die Hände sinken ließ und sie auf den Armlehnen ihres Stuhls abstützte. »Aber zuerst musst du essen.«
Als er sich neben sie setzte und ein saftiges Stück Pfirsich an ihre Lippen führte, hätte sie ihn daran erinnern sollen, dass sie kein Kind war. Ein Engel konnte lange Zeit ohne Nahrung auskommen, ohne gesundheitliche Folgen fürchten zu müssen. Doch die vergangenen Tage hatten schartige Wunden hinterlassen, und Noel berührte mit seiner rauen Zärtlichkeit einen Teil von ihr, der schon vor Eitriel jahrhundertelang nicht mehr ans Licht gekommen war.
Es war ihr unerklärlich, dass dieser Vampir, der selbst so tief verletzt worden war, eine so gravierende Wirkung auf sie haben sollte … oder vielleicht auch nicht. Denn hinter den Schatten im Blau seiner Augen erkannte sie die vorsichtige Hoffnung eines verwilderten Wolfs.
Sie ließ zu, dass er sie mit dem Pfirsich fütterte, dann mit Birnenscheiben und Happen von einem Sandwich, gefolgt von einem köstlichen Schokokeks. Irgendwann hatte sie sich so gedreht und ihm zugewandt, dass ihre Knie zu beiden Seiten von seinen Beinen umfangen wurden und gegen seinen Stuhl drückten. Ihre Hände lagen auf seinen Oberschenkeln, die sich steinhart und wunderschön unter ihrer Berührung spannten.
Auch andere Teile von ihm waren hart.
Doch auch wenn sein Blick auf ihren Lippen verweilte und er mit dem Daumen Krümel fortwischte, die überhaupt nicht da waren, versuchte er nicht, sie ins Bett zu bekommen. Dieser Wolf war dabei, sich einen Platz in ihrem Leben zu sichern, wie es kein Mann zuvor zu versuchen gewagt hatte.
In dieser Nacht schlief Noel wieder nicht, sein Kopf war ausgefüllt von den Echos des Bösen und dem Gelächter derer, die ihn schlimmer als ein Tier erniedrigt hatten.
»Es ist vollbracht«, hatte Raphael gesagt, als alles vorüber gewesen war, und in seinem Gesicht hatte sich sein gnadenloses Urteil gespiegelt, seine Flügel hatten vor Macht geleuchtet. »Sie wurden hingerichtet.«
In jenem Augenblick hatte Noel mit grausamer Freude gesagt: »Gut.« Doch heute wusste er, dass Vergeltung allein nicht ausreichte. Seine Angreifer hatten Spuren an ihm hinterlassen, die vielleicht nie wieder verblassen würden.
»Noel.«
Beim Klang der vertrauten weiblichen Stimme hob er den Kopf und sah, dass Nimra auf den Flur hinausgetreten war, wo er in dem
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