Dunkle Verlockung (German Edition)
unterhalten.
Als das Thema Mimosa aufkam, achtete er darauf, Amariyah direkt in die Augen zu sehen. »Ich habe eine ziemlich klare Vorstellung davon, wer hinter dieser feigen Tat steckt«, sagte er, ohne auch nur zu versuchen, seine Verachtung zu verbergen. »Es ist nur noch die Frage, wie schwer es uns derjenige machen will.«
Daran, wie Amariyah das Blut aus dem Gesicht wich, erkannte Noel deutlich, dass sie die Drohung verstanden hatte. Und wenn es etwas an diesem Vampirmädchen gab, das wahrhaftig und gut war, dann war es die Liebe zu ihrem Vater. Sie flehte Noel mit Blicken an, das Thema nicht vor Fen zur Sprache zu bringen. Da Noel den alten Mann nicht verletzten wollte – und seine unausgesprochene Drohung nie in die Tat umgesetzt hätte –, entschuldigte er sich einige Minuten später.
»Ich werde Noel ein Stück begleiten, Vater.« Die Vampirin erhob sich, wobei leuchtend violetter Stoff, leicht und luftig wie der Wind, fließend an ihr herabfiel. Das schlichte Gewand ließ ihre Arme frei und umspielte kokett ihre Knöchel.
»Geh nur, geh.« Fen kicherte. »Aber vergiss nicht, dass er einem Engel gehört. In diesem Gebiet solltest du nicht wildern.«
Die Steifheit von Amariyahs Lächeln verriet, dass ihr die Erinnerung an ihren Platz in der hierarchischen Ordnung nicht gefiel. Doch ihr Tonfall war mild, als sie sagte: »Du könntest mir ruhig ein paar Gehirnzellen zutrauen.«
Das entlockte Fen ein gebrochenes Lachen, begleitet von einem Rasseln in der Brust, das Noel Sorgen machte. Sofort war Amariyah an der Seite ihres Vaters. »Papa.«
Fen wischte ihr Hilfsangebot mit einer Handbewegung fort. »Geh schon, Amariyah.«
»Wir sollten einen Arzt rufen«, sagte Noel, dem Fens schwer gehender Atem nicht gefiel.
Fens Antwort war ein Lachen, bei dem seine dunklen Augen funkelten. »Es gibt nichts, was ein Arzt gegen das Alter tun könnte. Ich bin ein alter Mann mit alten Knochen.«
Als Amariyah zögerte, drängte Fen Noel, sie mit hinauszunehmen. Noel hätte gern auf einen Arzt bestanden, doch ein Blick in Fens Gesicht verriet ihm, dass er diesen Kampf verlieren würde. Der Körper des betagten Mannes mochte gebrechlich geworden sein, doch sein Wille war noch immer unbeugsam wie Stahl. Einem solchen Willen gebührte Respekt.
»Bis zu unserem nächsten Gespräch«, sagte er zu Fen, ehe er ihn mit einem Nicken verließ und Amariyah mitnahm.
Fens Tochter war sehr still, als sie gemeinsam durch das tiefe, ausgedehnte Grün des Gartens schritten. Ihre Schritte wirkten unstet, ihr Rücken steif. »Woher wusstest du, dass ich es war?«, fragte sie, als sie eine abgelegene Stelle unter den Zweigen eines knorrigen, alten Baumes mit tiefbrauner Rinde erreichten.
»Das spielt keine Rolle. Wichtig ist das Warum.«
Ihr Schulterzucken war anmutig, doch ihre verdrießliche Miene verunzierte ihre Schönheit. »Was interessiert dich das? Die Gnädige Frau wird mich dafür hinrichten, dass ich dieses entsetzlich alte Ding von seinem Elend erlöst habe, und in ihrer perfekten Welt wird alles wieder gut sein.«
Schon bald nach ihrer ersten Begegnung war ihm Amariyahs unerklärliche Feindseligkeit gegenüber Nimra aufgefallen, doch diese Abgebrühtheit kam für ihn unerwartet. »Warum, Amariyah?«, fragte er erneut und fing ein zu Boden gleitendes Blatt aus der Luft.
Zischend stieß die Vampirin die Luft aus und zeigte mit zitterndem Finger auf ihn. »Sie wird ewig leben, während ich mitansehen muss, wie mein Vater stirbt.« Sie schlug sich mit der Faust vor die Brust. »Er hatte sie darum gebeten, ihn zu verwandeln, aber sie hat ihn abgewiesen! Jetzt ist er ein alter Mann, der bald seinen letzten Atemzug tut und ständig Schmerzen erleidet.«
Noel wusste nicht, nach welchen Kriterien die Engel auswählten, wen sie verwandelten, aber er hatte lange genug in Raphaels höchster Wache gedient, um zu wissen, dass es mit einer bestimmten Art von biologischer Kompatibilität zu tun hatte. Nach allem, was er von der Beziehung zwischen Nimra und Fen zu sehen bekommen hatte, war er sicher, dass der Engel Fen verwandelt hätte, wäre er dazu in der Lage gewesen. »Weiß dein Vater, dass du so darüber denkst?«, fragte er und rieb mit dem Daumen über die glatte, grüne Oberfläche des Blattes in seiner Hand.
Ihr Gesicht wurde zu einer Maske des Zorns. »Er verehrt sie – was ihn angeht, ist dieses Miststück unfehlbar. Er gibt ihr nicht einmal die Schuld daran, dass er stirbt! Er sagte mir, es gäbe Dinge, von denen ich
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