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Dunkler Zwilling

Dunkler Zwilling

Titel: Dunkler Zwilling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Bezler
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nach Jahren auf einmal weismachen, sie hätte die Kinder damals vertauscht und das Gesunde ausgesetzt, weil sie meinte, man könne unwissenden Adoptiveltern nicht zumuten, einen Sohn zu haben, der noch vor ihnen elend stirbt. Das wollte sie dann lieber mir zumuten aus stiller Rache und weil ich ja genug Geld hätte, das Pflegeheim zu bezahlen. Ach! Alles dummes Geschwätz! Sie hat gelogen. Sie wollte nur noch ein bisschen mehr Geld aus mir herauspressen, damit sie sich eine teure Therapie in den USA leisten konnte.
    Chiara: Sie hat nicht gelogen. Ich finde diese Argumentation sehr plausibel und kann das gut nachvollziehen.
    Von Bentheim: Jetzt rede nicht so gestelzt daher. Ich kann beweisen, dass sie gelogen hat.
    Chiara: Und wie?
    ( Man hört Schritte im Raum. Schlüssel klirren. Eine Schublade wird geöffnet. Man hört metallisches Klappern, als sei eine Stahlkassette geöffnet worden.)
    Von Bentheim: Wir haben die Proben damals mit Codenamen verschlüsselt und an verschiedene Labors geschickt. Die Kinder hatten unterschiedlich farbige Armbänder. Es gab Nummer 1, rot, und Nummer 2, grün. Hier siehst du das Ergebnis der Untersuchung: Nummer 2, grün, ist Genträger und Nummer 1, rot, nicht. Und hier siehst du das rote Band, das Maurice ums Handgelenk trug. Ich habe es ihm selbst abgenommen.
    (Eine Weile ist nichts zu hören)
    Chiara: Das Band ist nicht das richtige. Es ist eine Fälschung und wurde gegen das grüne ausgetauscht. Du konntest die Wiesner damals doch gar nicht ständig unter Beobachtung halten.
    Von Bentheim: Wie kommst du darauf?
    Chiara: Auf dem echten Band ist die Zahl 1 eingetragen. Hier ist nichts drauf geschrieben.
    Von Bentheim: Gib her!
    Chiara (ihre Stimme hebt sich wieder) : Und die Wiesner hat Maurice damals die Wahrheit gesagt. Deshalb war er plötzlich so verändert. Deshalb hat er nach seiner Mutter gesucht und sich ihren Zustand angesehen. Und deshalb hat er sich wahrscheinlich umgebracht. Weil er damit völlig allein da stand. Und der Einzige, der das hätte ändern können, warst du! Du bist schuld an seinem Tod!
    Von Bentheim (Schluckgeräusche sind hörbar, redet dann mit müder Stimme): Wenn jemand schuld ist, dann diese Wiesner.
    Chiara (lacht böse auf) : Ja, so ist das bei dir immer, alle anderen sind schuld! Dabei hat die Wiesner verzweifelt versucht, ihren Fehler wieder gutzumachen. Sie hat der Wahrheit eine Chance geben wollen.
    Von Bentheim (ironisch) : Ach ja, und wie hat sie das gemacht, diese edle, reuige Sünderin?
    Chiara: Sie hat ja mitbekommen, dass ihr euer Kind Maurice nennen wolltet. Da hat sie das andere Kind Max genannt und den Hinweis auf den Namen in die Tasche gepackt, in der sie das Kind ausgesetzt hat. Sie hielt den Namen für passend. Maximillian und Maurice. Max und Moritz. Sie hat aus einem Wilhelm-Busch-Buch die erste Seite der Max-und-Moritz-Geschichte herausgerissen und durch Streichungen so manipuliert, dass ein Text dabei herauskam, der angedeutet hat, dass zwei Kindern mit diesen Namen von anderen Böses angetan wurde. Damit hat sie auch einen Hinweis darauf gegeben, dass die beiden Jungen etwas miteinander zu tun haben.
    Von Bentheim: Woher willlst du das alles wissen? Das ist pure Fantasie und ich glaube dir kein Wort.
    Chiara: Das Buch, aus dem sie die Seite herausgerissen hat, stand in Maurice’ Bücherregal! Max hat eine Fotokopie von dieser Seite. Das Original ist in den Unterlagen des Jugendamtes. Außerdem lag in dem Buch das grüne Band mit der Nummer 2, das Maurice, der eigentlich Max war, als Baby ums Handgelenk hatte.
    ( Ein Poltern ist zu hören. Von Bentheims Stimme erklingt ganz nah am Aufnahmegerät): Wo ist dieses unselige Buch?
    Chiara ( kühl ): Ich habe es an einem sicheren Ort deponiert. Im Buchdeckel steht fein säuberlich Friederike von Bentheim .
    Von Bentheim ( bemüht sich um Artikulation, dennoch bedrohlich): Und jetzt glaubst du, damit etwas beweisen zu können? Gar nichts kannst du damit beweisen! Das ist alles nachträglich konstruiert! Aber ich lass mich nicht auf so plumpe Art hereinlegen. Von der Wiesner nicht und von diesem Max erst recht nicht. Das kannst du ihm ausrichten! Er ist es doch, der dir den Auftrag gegeben hat, hier herumzuspionieren!
    Chiara: Hat er nicht! Max ist mein Freund. Anfangs hatte ich mir gar nicht erklären können, warum es dir nicht recht ist, dass ich mich so gut mit ihm verstehe! Deine Reaktion damals, als ich mit ihm in Maurice’ Zimmer stand! Du hast ihn sofort erkannt, nicht wahr?

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