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Dunkler Zwilling

Dunkler Zwilling

Titel: Dunkler Zwilling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Bezler
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jedenfalls weiß ich: Egal, was kommt, ich habe Eltern, die zu mir halten werden und das ist ein gutes Gefühl.
    Das Max-und-Moritz-Buch hat man übrigens nicht gefunden. Chiara kann sich nicht mehr erinnern, wo sie es versteckt hat, vermutlich irgendwo im Bentheim- Schlösschen. Ich stelle mir gerne vor, wie der alte Bentheim mit Schaum vor dem Mund und mit Brecheisen und Schraubenzieher bewaffnet nach und nach sein Schloss zerlegt. Das wäre dann so eine Art Fluch, der ihn bis an sein Lebensende begleitet. Leider kann es aber auch sein, dass er das Buch längst gefunden und entsorgt hat.
    Noch eine Problemfrage habe ich vertagt. Soll ich eines Tages vor Gericht ziehen und mein Erbe einklagen oder soll ich großzügig darauf verzichten? Wenn ich nicht darauf verzichte, müsste ich immer damit rechnen, dass mein Mördervater mich doch noch aus dem Weg räumen will. Aber traut er sich das noch, wo der Verdacht dann eindeutig auf ihn fallen würde? Ein bisschen mulmig ist mir trotzdem.
    So, jetzt kommt noch ein absolutes Masterpiece auf mich zu. Ich werde nämlich in diesem Tagebuch all die Passagen ergänzen, zu denen ich noch nichts geschrieben habe, sodass das Ganze wirklich wie so eine Art Roman die Geschichte von Max und Maurice erzählt. Keine Sorge! Ich will damit keinen Bestseller landen, sondern ich habe etwas viel Wichtigeres damit vor.

Epilog
    M ax stand in der Hotelhalle und sah sich suchend um. Dann entdeckte er sie. Sie war so schmal und zart geworden.
    »Max«, rief sie und lief auf ihn zu.
    Schorsch, der sofort an ihr hochsprang, verhinderte, dass sie ihrem Freund um den Hals fallen konnte. Sie streichelte den Hund, drückte ihn sanft nach unten und richtete sich vor Max auf. Etwas unschlüssig standen sie voreinander.
    »Eigentlich hasse ich Abschiede«, sagte sie mit feuchten Augen.
    »Ich auch«, grunzte Max, dem es endgültig die Sprache verschlagen hatte und der ebenfalls mit den Tränen kämpfte.
    Doch noch bevor er etwas sagen konnte, tauchten Franca und Michelle mit Taschen und Rucksäcken beladen auf. Er ging mit in die Tiefgarage und half, das Handgepäck im Auto zu verstauen. Die großen Koffer waren bereits vom Hotelpersonal eingeladen worden. Dann verabschiedete Max sich artig mit Handschlag und Küsschen auf die Wange von Franca und ihrer kleinen Tochter. Während Franca hinter dem Steuer Platz nahm, kletterte Michelle auf den freien Rücksitz. Der Platz neben ihr war hoch beladen.
    Plötzlich zog Chiara Max hinter eine Säule. Sie schlang die Arme um seinen Hals, küsste ihn und drückte ihn fest an sich. Max fühlte sich so schwer und unförmig, als sei er aus Wasserschläuchen gebaut. Auch seine Zunge hing wie ein dicker Klops im Mund. Sprechen ging nicht mehr. Wie unendlich tief kann einen Traurigkeit hinabziehen?
    Chiara hatte sich schneller wieder im Griff. Sie ließ ihre Tränen einfach laufen. »Mach’s gut, Max, lieber, lieber Max«, flüsterte sie. Dann drückte sie ihm ein kleines, sorgfältig eingepacktes Geschenk in die Hand. »Hier, aber erst öffnen, wenn ich weg bin.«
    Max nickte schwankend. Sein Hals saß auf einem meterhohen Turm. Dann erinnerte er sich und begann äußerst umständlich seinen Rucksack abzulegen und daraus ebenfalls ein etwas weniger ordentlich eingewickeltes Päckchen hervorzuziehen. Eigentlich wollte er dazu etwas sagen, doch das klappte nicht. Chiara verstand auch so, dass sie erst später auspacken sollte.
    Dann war sie auf einmal verschwunden. Wie in Zeitlupe sah Max den Wagen aus der Garage davonfahren. Hände winkten. Seine Hand war leider aus Blei und ließ sich nicht heben. Irgendwann riss ihn Schorschs Gebell aus der Erstarrung und er machte sich schleppend auf den Heimweg.
    Als er mit der S-Bahn in Modertal angekommen war, lief er nicht gleich zur Siedlung, sondern setzte sich auf eine Bank neben dem Bahnhofsgebäude. Dort drüben auf dem Bahnsteig unter dem Schild hatte einmal ein Berg Blumen gelegen. Für Maurice. Eigentlich bin ich das, dachte er. Hier war er Chiara zum ersten Mal begegnet. Vorsichtig öffnete er das Päckchen. Es enthielt einen aufklappbaren Bilderrahmen mit drei Bildern. In der Mitte war das Foto von einer blonden, freundlichen Frau, die er noch nie gesehen hatte und die sich sanft an den Hals eines Pferdes schmiegte. Links war ein Bild von Maurice. Es war ein Porträtfoto, das ihn mit leicht verwehten Haaren zeigte. Er lächelte den Betrachter herausfordernd und zugleich ein wenig versonnen an. Das rechte Bild zeigte

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