Die Glut des Bösen: Kriminalroman (German Edition)
1. Kapitel
Der Wind der Lust aber, der in die beiden Behälter solcher Männer herabfällt, kommt so ungezügelt und in solch plötzlichem Anstoß wie ein Wind, der das ganze Haus unversehens und heftig erschüttert, und richtet den Stamm so tyrannisch auf, daß derselbe Stamm, der doch in voller Blüte dastehen sollte, sich in der Gehässigkeit der Weise der Vipern krümmt und in solcher Schlechtigkeit wie eine tod- und verderbenbringende Viper seiner Nachkommenschaft gegenüber seine Bosheit erweist.
Die SMS kam von der Leitstelle der Mainzer Polizei:
Weibliche Leiche im Bingener Kloster Rupertsberg aufgefunden. KDD bereits vor Ort.
Die Worte leuchteten grün auf dem Display ihres Handys. Emma scrollte nach oben. Der Presseruf war um 8.35 Uhr verschickt worden. Nachdenklich warf sie einen Blick auf ihre Armbanduhr. 8.45 Uhr.
Emma legte das Handy zur Seite und fragte sich, ob sie die Geschichte übernehmen sollte. Eigentlich war es kein guter Zeitpunkt. Sie ging hinüber zum Schreibtisch und öffnete den Laptop. Der Lüfter startete und erste Kontrollzeichen flackerten über den Bildschirm.
»Du arbeitest?«
Günter stand in der Tür ihres Wohnzimmers. Sein Blick war finster.
»Ein Presseruf. Kam heute Morgen um 8 Uhr 35. Die Geschichte könnte richtig gut werden«, antwortete Emma.
»Ich dachte, du hilfst mir«, sagte er.
Emma drehte sich um und fixierte ihn.
»Arbeit geht vor. Das war unsere Absprache«, sagte sie gedehnt.
»Was ist mit unserem Urlaub in der Schweiz?«, fragte Günter. Seine Stimme bekam einen drohenden Unterton. »Es war ausgemacht, dass wir uns heute gemeinsam um die Ski kümmern.«
Emma musterte ihn nachdenklich.
»Sorry«, sagte sie dann. »Daraus wird nichts. Die Geschichte kostet mich mindestens zwei Tage.«
Sie wandte sich wieder ihrem Laptop zu, einem in die Jahre gekommenen Dell Inspiron. Der Browser öffnete sich mit Google als Startseite. Emma tippte die Suchanfrage zum Kloster Rupertsberg ein. Sie hörte, wie Günter aus dem Zimmer ging. Emma ließ ihre Hände auf die Tastatur sinken und lauschte. Die Geräusche aus dem Schlafzimmer ließen sie vermuten, dass er dort seine Sachen zusammensuchte.
»Vergiss nicht, meine Schlüssel hierzulassen«, rief sie rasch. Kurze Zeit später hörte sie das metallische Klirren der Schlüssel, dann klappte die Wohnungstür.
Emma atmete tief durch und strich sich über die Augen. Für einen Moment drohte die Leere sie zu überwältigen. Dann blinzelte sie und riss sich zusammen. Google zeigte eine Internetadresse, die vermutlich zur Homepage des Klosters gehörte. Froh über die Ablenkung studierte Emma die Internetseite und verschaffte sich mit wenigen Klicks einen ersten Eindruck. Dann klickte sie weiter bis zum Impressum und übertrug die Adresse in ihr Navigationssystem.Von Heidelberg aus war es eine gute Stunde Fahrt bis Bingen.
Emma suchte die Telefonnummern für die Presse heraus, doch im Mainzer Polizeipräsidium waren alle Nummern der Pressestelle besetzt. Die Kollegen waren ebenfalls schon dran. Emma erhob sich und ging langsam hinüber ins Schlafzimmer.
Neben der Schwelle lag ihr Wohnungsschlüssel auf dem Boden. Günter hatte ihn einfach fallen lassen. Emma bückte sich und zog ihn nachdenklich zu sich her. Sie hatten sich zwar nach dem Streit gestern wieder versöhnt, doch es war längst deutlich, dass sie in einer Sackgasse angekommen waren. Günter und sie hatten zu Beginn ihrer Affäre vereinbart, dass sie zwei vielbeschäftigte Singles waren und das auch bleiben wollten. Inzwischen hatte er zu spüren bekommen, dass sie aus beruflichen Gründen mindestens so häufig ihre Verabredungen platzen lassen musste wie er. Und das passte ihm nicht.
Das war’s vermutlich, dachte Emma. Sie war froh, dass sie und Günter sich nun nichts mehr vormachen mussten. Sie hatten einander Gesellschaft geleistet, aber mehr war daraus auch nicht geworden. Emma erhob sich und legte ihre Zweitschlüssel zurück in die Nachttischschublade. Ihr Blick fiel auf den Brief ihres Vermieters, der gestern mit der Post gekommen war und den sie vor Günter versteckt hatte. Zwei Monatsmieten war sie bereits im Rückstand, und er drohte ihr mit Kündigung, wenn sie nicht schnellstmöglich bezahlte.
Entschieden wandte sich Emma ab, packte ein paar Dinge zusammen und legte den Laptop und die Digitalkamera dazu. Die Routine half ihr, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Sie warf einen Blick in die Küche, wo Günter vor seinem Abgang
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