Eichmann wurde noch gebraucht: Der Massenmörder und der kalte Krieg (German Edition)
lehnt sämtliche sowjetischen Vorschläge ab, hat es in internen Gesprächen klargestellt, nicht nur ein entmilitarisiertes Gesamtdeutschland, sondern auch die Abrüstung und vor allem den Atomtest-Stopp. 25 Auch Präsident Eisenhower will kein entmilitarisiertes Deutschland. Doch wie er die sowjetischen Vorschläge bei dem kommenden Gipfeltreffen in Paris vom Tisch fegen will, hat er Adenauer nicht verraten. Denn die Weltöffentlichkeit ist wegen des radioaktiven Niederschlags alarmiert und fordert die Verlängerung des Moratoriums.
Der Bundeskanzler weiß, dass das Weiße Haus die Bundesrepublik braucht, als nicht-souveränen Staat, dem man Befehle erteilen und auf dessen Territorium man Atomwaffen stationieren kann. Dafür soll Washington zahlen und die Sicherheit Westberlins garantieren, gibt Adenauer seinem Amtskollegen zu verstehen. Doch der führt Krieg in Asien und will die Kosten des US-Engagements in Europa verringern.
Eisenhower und Adenauer verbindet ein ausgeprägter Antikommunismus. Und der ist tragfähig. Doch Ende des Jahres wird in den Vereinigten Staaten gewählt, und der Herausforderer der Demokraten, der junge John F. Kennedy, hat im Wahlkampf zu verstehen gegeben, den sowjetischen Vorschlägen gegenüber offen zu sein.
Die Welt ist im Umbruch. Wollen das State Department und seine westlichen Verbündeten ihre Vormachtstellung halten, müssen sie sich auf die veränderte Lage einstellen. In Afrika werden die französischen Kolonien unabhängig, in Asien toben Befreiungskriege, und selbst im traditionellen Hinterhof der USA, in Lateinamerika, stehen die Zeichen auf Aufruhr. In Kuba haben im vergangenen Jahr Fidel Castro und Che Guevara den langjährigen US-freundlichen Diktator vertrieben und drohen nun, sich dem sowjetischen Lager zuzuwenden. Sogar die bürgerlichen Regierungen gehen im Subkontinent neue Wege und wollen sich nicht mehr in das Ost-West-Schema einordnen lassen.
Im Nahen Osten ist die Situation nach der Sueskrise unübersichtlich geworden, der Einfluss des Westens schwindet. Das State Department braucht neue Stellvertreter in den Regionen, und im Nahen Osten scheint Israel der einzige zuverlässige Partner im Kalten Krieg zu sein. Die Stellung des jungen Staates muss aufgewertet werden. Wird das ohne eine atomare Bewaffnung des Heiligen Landes gehen?
Seit vier Jahren besitzt Adenauer einen »richtigen« Nachrichtendienst, hervorgegangen aus der improvisierten Organisation Gehlen: den Bundesnachrichtendienst unter Leitung von Reinhard Gehlen, einst General der Wehrmacht. Koordiniert und beaufsichtigt wird er von Staatssekretär Hans Globke, dem wohl mächtigsten Mann der Republik. Der BND unterhält inzwischen enge Kontakte zu seinen israelischen Kollegen und setzt nicht nur, wie noch bis vor kurzem, auf arabische Dienste. Der Mossad liefert zuverlässige Informationen aus der Region.
Dass im BND fast ausnahmslos frühere SS- und Gestapoleute ihren Dienst versehen, daran stören sich weder Adenauer noch der Verbündete auf der anderen Seite des Atlantiks. CIA-Chef Allen Dulles wiegt sich in dem Glauben, dass die Bonner Regierung damit erpressbar sei. Dass er nicht der einzige Erpresser ist, wird Dulles erst später merken.
Innenpolitisch hat Adenauer sein Feld bestellt. Die Kommunistische Partei ist seit 1956 verboten, ihre Kader sind in die Illegalität gedrängt, etliche sitzen im Gefängnis. Die Sozialdemokraten sind lästig, aber man unterhält regelmäßige Konsultationen. Willy Brandt will man auffordern, endlich diese unschöne Affäre um den Berliner Rechtsanwalt zu beenden, diesen undankbaren Max Merten. Der war im vergangenen Jahr in Athen als Kriegsverbrecher verurteilt worden, und das Auswärtige Amt hatte größte Mühe und lockende Kreditversprechen aufbringen müssen, um den Mann nach zwei Jahren Haft herauszubekommen. Doch statt Ruhe zu geben, stänkert der Mann herum. Gehlen glaubt, dass er vielleicht nicht nur von der SPD, sondern auch von der »Sowjetischen Besatzungszone«, wie die DDR genannt wird, angestachelt wird. So soll Merten Staatssekretär Globke jetzt beschuldigt haben, 1943 die Rettung der griechischen Juden verhindert zu haben. Wird da noch etwas nachkommen?
Globke ist wie sein Dienstherr katholisch und stramm antikommunistisch. Während der NS-Zeit hatte er den wichtigen Kommentar zu den Nürnberger Rassengesetzen verfasst, den juristischen Rahmen für die Judenverfolgung. Als Ministerialrat im Reichsinnenministerium hatte er dafür gesorgt,
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