Ein bissfestes Abenteuer
hatten die gleiche Farbe wie ihre nachtblauen Augen. Mihai hatte sie von einem Besuch bei Verwandten in Damaskus mitgebracht.
Mihai Tepes trat lautlos neben seine Frau. »Du siehst zum Anbeißen aus!«
Elvira zuckte zusammen. Sie hatte ihren Mann weder kommen hören noch gesehen. Auch jetzt war sie allein im Spiegelbild. Sie drehte sich mit einem Ruck um. »MIHAI!«
Mihai Tepes grinste, wobei sich sein Lakritzschnauzer noch mehr kringelte und man die langen Eckzähne aufblitzen sah. Er liebte es, seine Frau zu erschrecken. Wenn er sie schon nicht beißen durfte. »Und, bin ich dir schick genug?«, fragte er, zupfte an seiner knallroten Fliege, die der einzige Farbklecks auf seinem schwarzen Hemd, der schwarzen Weste und dem schwarzen Frack darüber war. Bunt war nur für Frauen, fand Herr Tepes.
Elvira stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihrem Mann einen Kuss. Seit sie sich nach dem bissigen Eifersuchtsanfall von Herrn Tepes wieder versöhnt hatten, waren sie wie zwei Turteltauben. Silvania fand das zum Seufzen schön. Daka zum Stöhnen anstrengend. Herr Tepes hatte seiner Frau Theaterkarten ihrer Wahl geschenkt. Elvira Tepes hatte sich die Samstagabendaufführung ausgesucht: ›Die Ratten‹ von Gerhart Hauptmann. Mihai Tepes fand, der Titel klang vielversprechend.
Als sich die Eltern an der Wohnungstür von ihren Töchtern verabschiedeten, hielt Daka einen Daumen hoch und rief: »Boi!«
»Ihr seht wunderschön aus«, fand auch Silvania.
Elvira Tepes strahlte, und Mihai Tepes warf seine halblange pechschwarze Mähne nach hinten, als würde er gleich selbst eine Bühne betreten. »Also, ihr wisst Bescheid ...«, begann Frau Tepes.
»Klar doch, Mama«, fiel ihr Daka ins Wort. »Wir fliegen nicht durch die Innenstadt, beißen niemanden und betrinken uns nicht mit Blut.«
Elvira und Mihai Tepes nickten.
»Und wenn, dann rufen wir vorher an«, sagte Silvania. Als sie den entsetzten Blick ihrer Mutter sah, fügte sie schnell hinzu: »War ein Scherz.«
Mihai führte seine Frau zu seiner ersten großen Liebe: seinem flaschengrünen Dacia. Er öffnete die Beifahrertür und ließ Elvira einsteigen. Dann knallte er die Tür so schwungvoll zu, dass es das ganze Wohnviertel hören konnte. Nur so funktionierte die Tür noch. Der Dacia war nur ein paar Jahre jünger als Herr Tepes selbst. Frau Tepes drehte das Fenster herunter, das wie immer etwas klemmte, während Mihai auf der Fahrerseite einstieg.
»Viel Spaß mit den Ratten!«, rief Silvania.
»Geht danach doch noch schön was essen oder trinken«, schlug Daka vor. »Macht euch keine Sorgen um uns.«
Elvira Tepes nickte, doch in ihren Augen schimmerte Zweifel. War es wirklich eine so gute Idee, die Zwillinge allein zu Hause zu lassen? Sie waren gerade mal zwölf, fast noch Kinder. Sie wohnten gerade mal ein paar Tage in Deutschland. Und sie waren Halbvampire, mitten unter Menschen. »Vielleicht hätten wir doch Opa Gustav oder Oma Rose noch mal fragen sollen«, meinte Elvira, als der Dada den Lindenweg entlangtuckerte.
»Ob sie auf zwei halb erwachsene Halbvampire aufpassen wollen?« Herr Tepes schüttelte den Kopf. »Du weißt doch, dass deine Eltern heute Abend ihre eigenen Pläne haben.«
Opa Gustav musste ins Stadion. Sein Verein, der FC Bindburg, spielte. Er hatte in der letzten Saison nur knapp den Meisterschaftstitel verpasst. Genau wie all die Jahre zuvor. Aber Opa Gustav war sich sicher, dass es diese Saison klappen würde. An ihm sollte es nicht liegen. Er würde kein einziges Spiel des FC Bindburg verpassen und seinen Verein kräftig anfeuern.
Oma Rose machte Überstunden im Museum. Diese Woche war eine neue, große Ausstellung eröffnet worden. Japanische Kunst der Edo-Zeit. Es war eine der wertvollsten und wichtigsten Ausstellungen, die das Kunstpalais Bindburg jemals veranstaltet hatte. Oma Rose war für die Führungen verantwortlich.
»Außerdem«, sagte Herr Tepes und bog auf die Hauptstraße, »was sollen unsere Töchter schon anstellen?«
Maultiere und
Spiderwoman
A ls sich im Theaterhaus der Vorhang zum ersten Akt öffnete und Herr und Frau Tepes erwartungsvoll zur Bühne blickten, klingelte es ein paar Kilometer weiter nördlich im Lindenweg Nummer 23 an der Wohnungstür.
Daka sprang aus ihrem Schiffsschaukelsarg, der daraufhin wackelte, als wäre er in einen Atlantiksturm geraten. »Das ist sie!«
Silvania schob sich schnell den Rest ihres Wiener Würstchens in den Mund und folgte Daka die Treppe hinunter. Seit Silvanias
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