Ein Jahr – ein Leben
dem sie nicht herauskam? Warum ist jemand so? Das reizt mich.
In dieser Woche stand im »Spiegel«, dass der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff das Preisgeld, das er für den Leo-Baeck-Preis bekommen hat, erst jetzt, offenbar unter dem Druck der Recherchen, für einen guten Zweck gespendet hat. Unter den Leo-Baeck-Preisträgern, zu denen Sie auch gehören, gilt das als Selbstverständlichkeit.
Ich habe laut geseufzt, als ich das gelesen habe. Ich habe da nur große Fragezeichen. Mich ärgert das auch, weil ich eigentlich nicht möchte, dass die Jäger von Wulff noch mehr Bestätigung bekommen.
Bei unserem letzten Gespräch haben wir über die immer kontrollierte Angela Merkel gesprochen. Und jetzt ist ausgerechnet ihr etwas rausgerutscht, der Satz: »So lange ich lebe, wird es keine Euro-Bonds geben.«
Diese ›Unkontrolliertheit‹ hätte ich ihr gar nicht zugetraut. Ich gebe zu, dass ich von dieser Krise richtig verunsichert bin. Ich habe noch nie so intensiv die Wirtschaftsteile der Zeitungen gelesen wie in den vergangenen Monaten. Ich merke an so extrem unterschiedlichen Analysen von seriösen Experten, dass keiner weiter weiß. Ich bin unruhig. Ich habe nun einige Jahrzehnte lang gearbeitet, in einem Beruf, von dem man weiß, dass man nicht von der Rente leben wird. Ich habe mir etwas erspart, und ich möchte nicht, dass sich das alles auflöst. Ich fühle mich überfordert. Trotzdem weiß ich auch, dass ich jederzeit in der Lage wäre, neu anzufangen. Ich habe keine Angst. Aber ich kann mir vorstellen, in welcher Situation sich Angela Merkel befindet. Der Druck auf sie ist so immens, ganz Europa, Amerika, China, alle machen Druck. Ich stelle mir ihren Tag vor. Wie ist das? Diese vielen Reisen in immer schnelleren Rhythmen. Ich fliege auch recht viel, aber das ist nicht zu vergleichen. Alleine die Zeitunterschiede. Ich stelle mir das pragmatisch vor. Da klingelt morgens der Wecker, du wachst auf, und dann geht’s los. Und du liest Schlagzeilen wie »Der Kapitalismus ist am Ende« …
Hätten Sie Lust, Angela Merkel zu spielen?
Ich habe sie mal gespielt, zwei Tage lang, in einem Fernsehfilm, »Frühstück mit einer Unbekannten«, dem Remake einer englischen Produktion, die auf einem G8-Gipfel spielte. Ich habe, um genau zu sein, eine deutsche Kanzlerin gespielt, und als ich gefragt wurde, ob ich Frau Merkel darstelle, habe ich geantwortet, nein, ich spiele eine Bundeskanzlerin, vielleicht nimmt man das endlich als Selbstverständlichkeit, dass eine Frau Kanzler sein kann.
Sie haben die Frage damit noch nicht wirklich beantwortet.
Möchte ich sie spielen? Thomas Thieme, der ja Helmut Kohl gespielt hat, hat das einmal sehr klug erklärt: Man muss sich nicht äußerlich als Helmut Kohl zurechtmachen, sondern die Haltung treffen, den Ton. Darum geht es, nicht um die perfekte Arbeit eines Maskenbildners. Und Meryl Streep sah in »Die eiserne Lady« auch nicht aus wie Maggie Thatcher.
Also: Würden Sie das Leben von Angela Merkel verfilmen?
Ich mag Verfilmungen von Biographien Prominenter nicht, solche Filme gelingen sehr selten, weil man am Ende eben doch das Original sehen möchte.
Stellen Sie sich mal vor, Ihr eigenes Leben würde eines Tages verfilmt!
(lacht) Das will ich mir gar nicht erst vorstellen! Außerdem: Wer außer mir sollte das denn spielen? (lacht wieder)
Kommen wir auf Angela Merkel zurück.
Ich würde eine solche Rolle als schauspielerische Herausforderung sehen. Aber ich müsste mich dafür sicher noch einmal genauer mit dieser Figur auseinandersetzen, über das politische Tagesgeschäft hinaus. Was hat sie geprägt, woher kommt ihr Korsett, in dem sie steckt? Sollte Angela Merkel eines Tages abdanken, und es würde ein gutes Buch geschrieben, hätte ich kein Problem damit, sie zu spielen.
»Wie hört man auf?
Hört man überhaupt auf?
Was werde ich vermissen?«
Anfang September, warm ist es noch, aber der Sommer ist vorbei, wie unser Jahr auch. Iris Berben trägt schwarz. Schwarzes Top, schwarze Hose, schwarze Lederslipper. Paul Berben ist mitgekommen, hat eine kleine Schüssel mit Wasser auf den Boden gestellt bekommen. Auch zum letzten Gespräch haben wir uns im Hinterzimmer des Café Einstein getroffen, haben wie immer in je einem Ledersessel Platz genommen, sitzen über Eck an einem Tisch, darauf zwei Gläser, eine Flasche Mineralwasser, die ein Kellner gerade gebracht hat. Das Aufnahmegerät läuft.
Unser letztes Gespräch, Frau Berben.
Das ist merkwürdig, es ging so
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