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Ein Tag, zwei Leben

Ein Tag, zwei Leben

Titel: Ein Tag, zwei Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Shirvington
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dieser lästige, Spielchen spielende, zynische Typ so unter die Haut? War es darum so wichtig, dass er die Wahrheit erfuhr?
    » Oh, Gott, Sabine. Ich kann es kaum erwarten bis Montagabend.« Dex zeichnete mit dem Finger eine Linie von meiner Augenbraue bis zu meiner Unterlippe.
    Ich schob die Gedanken an Ethan beiseite und kleisterte mir ein glutvolles Lächeln aufs Gesicht.
    » Ich auch nicht.«

20 – Wellesley, Dienstag / Roxbury, Mittwoch
    Ich war so bereit, wie ich nur sein konnte. Mitternacht war noch Minuten entfernt und ich saß ganz ruhig im Schneidersitz auf dem Boden meines Zimmers, von Kissen umgeben. Aus irgendwelchen Gründen wollte ich nicht in meinem Bett sein. Normalerweise brachte mich jegliche Abweichung von der Routine aus dem Konzept, doch heute Abend fühlte ich mich seltsam gestärkt durch diese Veränderung.
    Als ich den Wechsel vollzog, begleitete mich diese Gelassenheit; es dauerte nur ein paar Sekunden, um mich an meinen Roxbury-Körper anzupassen. Als das Adrenalin nachließ, hörte ich gerade noch das Ende des Satzes, den Ethan vor meinem letzten Wechsel begonnen hatte.
    » … tut mir so leid.«
    Ich hielt die Augen geschlossen, bis ich bereit war, dann hob ich den Kopf, schlug die Augen auf und holte tief und ruhig Luft. Die einzige Möglichkeit, diese Situation zu steuern, bestand darin, die Beherrschung zu wahren.
    Alles war genau so, wie es gewesen war, als ich wegging. Ich war in der Klinik. Es war Mitternacht. Die Uhr, die jetzt auf dem Bett lag, zeigte null Uhr zehn an. Und Ethan saß mit großen Augen wie gelähmt da.
    Ärger überkam mich, und ich kniff die Augen zusammen, während ich ihn musterte. Unter seinen Augen lagen tiefere Schatten, als ich in Erinnerung gehabt hatte. Er sah erschöpft aus. Seine Schneidezähne hatten sich fest in seine Unterlippe gegraben, die kurz davor war zu bluten. Ich sah auf seine Hand hinunter, mit der er noch immer seine Armbanduhr hielt. Zitterte sie? Er sah müde und besorgt aus, aber da war noch mehr. Er sah aus, als täte es ihm leid.
    Und er war schön.
    Ich starrte ihn an, seine dunklen Haare bildeten ein unordentliches Vogelnest, in seinen Augen lag eine Seelentiefe, wie ich sie noch nie bei einem Menschen gesehen hatte. Als wüsste er etwas, was wir anderen nicht wussten. Etwas in mir fing an zu schmerzen.
    Während ich ihn beobachtete, blickte er auf seine Hand hinunter. Noch immer zitterte sie leicht. Er legte sie in seinen Schoß. » Sabine«, flüsterte er.
    Ich spürte das überwältigende Bedürfnis, ihm näher zu sein. Ich räusperte mich. » Es ist okay. Ich weiß, dass Mitternacht vorbei ist.«
    » Heißt das, dass du …?«
    Ich fuhr mir mit den Fingern durch das zottelige dunkle Haar und strich es mir aus dem Gesicht. » Hör einfach zu, bevor ich es vergesse. Ich bin müde, Ethan, und was du mit mir gemacht hast … es …« Doch ich konnte es nicht einmal erklären. Ich schüttelte den Kopf und fuhr fort: » Fünfzehn plus elf ergibt sechsundzwanzig, und fünfzehn mal elf ergibt hundertfünfundsechzig. Die Bestandteile von Schokolade, die vor einer Erkrankung der Herzkranzgefäße schützen, heißen Flavonoide. Sie sind auch in Beeren und Rotwein enthalten. Die Sprache war Latein und die Worte lassen sich als ›Schätzt alles Leben‹ oder so übersetzen. Netter Ansatz.«
    Bevor Ethan etwas sagen konnte, schlug ich die Decke zurück und stand auf. » Bleib sitzen und lass es auf dich wirken. Ich begleite mich selbst auf die Toilette. Ich verspreche, dass ich nichts Scharfes oder Gefährliches dabeihabe, aber ich muss mich jetzt übergeben. Und wenn du noch einmal versuchst, mich um Mitternacht unter deine Kontrolle zu bringen, dann werden wir zwei überhaupt nicht gut miteinander auskommen.«
    Ich beherrschte mich, bis ich aus dem Zimmer war, dann schlug ich mir die Hand vor den Mund und flitzte zur Toilette.
    Ich musste mich nur ein Mal übergeben, aber ich blieb noch eine Weile auf der Toilette, um Ethan Zeit zu geben, alles zu verdauen. Das Seltsame war: Eigentlich hatte ich erwartet, dass ich jetzt zufrieden mit mir wäre, doch stattdessen war ich einfach nervös. Würde er mit einer Spritze und Fesseln auf mich warten? Würde er überhaupt noch da sein?
    Als ich es nicht mehr länger hinausschieben konnte, trottete ich zurück in meine Gefängniszelle. Ethan stand am Fenster. Ich blieb an der Tür stehen.
    Er sah mich über seine Schulter hinweg an. » Es tut mir leid, dass ich dein Vertrauen missbraucht habe,

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