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Ein Vampir für alle Fälle

Ein Vampir für alle Fälle

Titel: Ein Vampir für alle Fälle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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trat.
    Später kam einer der Vampire noch einmal an die Bar und bat um ein Glas gewöhnliches TrueBlood. Ich reichte ihm den angewärmten Drink. »Danke«, sagte er und gab mir erneut Trinkgeld. In seiner offenen Brieftasche fiel mir ein Führerschein aus Nevada auf. Ich bin mit den verschiedenen Führerscheintypen ganz gut vertraut, weil ich im Merlotte's eine ganze Menge zu sehen bekomme. Dieser Vampir war von weit her angereist für die Hochzeit. Zum ersten Mal sah ich ihn richtig an. Als er bemerkte, wie interessiert ich ihn musterte, legte er die Hände aneinander und verbeugte sich leicht. Aus einem Krimi, der in Thailand spielte, wusste ich, dass das ein Wai war, die Grußgeste der Buddhisten - oder nur der Thailänder generell? Ach, egal, der Mann wollte höflich sein. Nach einem kurzen Zögern legte ich den Lappen aus der Hand und ahmte seine Geste nach. Darüber freute er sich.
    »Ich nenne mich Jonathan«, sagte er. »Meinen richtigen Namen können Amerikaner nicht aussprechen.«
    Es lag vielleicht ein Hauch von Arroganz und Verachtung in seinen Worten, doch das konnte ich ihm nicht verübeln.
    »Ich bin Sookie Stackhouse«, erwiderte ich.
    Jonathan war ein kleiner Mann, vielleicht 1,70 Meter groß, mit der leicht kupfernen Hautfarbe und dem sattschwarzen Haar seines Heimatlandes. Er sah verdammt gut aus mit der kleinen breiten Nase, den aufgeworfenen Lippen und den pfeilgeraden schwarzen Brauen über den braunen Augen. Seine Haut war so fein, dass ich nicht mal Poren erkennen konnte, und hatte natürlich dieses leichte Schimmern, das man nur bei Vampiren findet.
    »Ist das Ihr Ehemann?«, fragte er, griff nach seinem Glas und nickte zu Sam hinüber, der gerade für eine der Brautjungfern eine Pina Colada mixte.
    »Nein, Sir, mein Boss.«
    In diesem Augenblick wankte Terry Bellefleur, ein Cousin zweiten Grades von Portia und Andy, an die Bar und wollte noch ein Bier. Ich mochte Terry wirklich gern, aber er trank einfach zu viel, und auch jetzt schien er schon wieder auf dem besten Weg zum Absturz zu sein. Der alte Vietnamveteran wäre wohl gern an der Bar stehen geblieben und hätte über die Politik des Präsidenten im Irakkrieg diskutiert, doch ich brachte ihn zu einem seiner Verwandten, einem entfernten Cousin aus Baton Rouge, und sorgte dafür, dass der Mann ein Auge auf Terry hatte und ihn nicht mit seinem Pick-up nach Hause fahren ließ.
    Der Vampir Jonathan schien währenddessen ein Auge auf mich zu haben, aber ich hatte keine Ahnung, warum. In seinem Benehmen oder Verhalten lag nichts Aggressives oder Lüsternes, und seine Fangzähne waren auch nicht zu sehen. Insofern schien es okay zu sein, ihn nicht weiter zu beachten und mich wieder der Arbeit zuzuwenden. Wenn Jonathan aus irgendeinem Grund mit mir reden wollte, würde ich es früher oder später schon erfahren. Und so spät wie möglich war mir sowieso am liebsten.
    Als ich eine Kiste Coca-Cola aus Sams Pick-up holte, fiel mir plötzlich ein Mann auf, der ganz allein im Schatten der alten Eiche am westlichen Rand des Rasens stand. Er war groß, schlank und trug einen makellosen und offensichtlich teuren Anzug. Als der Mann einen Schritt vortrat, konnte ich sein Gesicht sehen und erkannte, dass er meinen Blick erwiderte. Was für eine liebliche Gestalt, war mein allererster Gedanke, er kam mir ganz und gar nicht wie ein Mann vor. Was auch immer er sein mochte, ein Mensch war er gewiss nicht. Er schien bereits ein hohes Alter erreicht zu haben, doch er war außerordentlich schön. Sein Haar, das immer noch goldblond schimmerte und so lang war wie meines, trug er sorgfältig zurückgebunden. Seine Haut hatte etwas leicht Runzliges, wie ein köstlicher Apfel, der zu lange in der Speisekammer gelegen hatte; trotz der Entfernung erkannte ich das deutlich. Doch seine Haltung war absolut aufrecht, und er trug keine Brille. Aber er hatte einen Gehstock, einen sehr einfachen, schwarzen mit einem goldenen Knauf.
    Als er aus dem Schatten trat, wandten sich auf einmal alle Vampire geschlossen nach ihm um und neigten einen Augenblick später leicht den Kopf. Er erwiderte den Gruß. Doch die Vampire blieben auf Distanz zu ihm, als sei er gefährlich oder Ehrfurcht gebietend.
    Ein seltsamer Vorfall, doch ich hatte keine Zeit, mir lange Gedanken darüber zu machen. Plötzlich wollten alle nämlich noch einen letzten Drink auf Kosten des Hauses. Der Hochzeitsempfang neigte sich langsam dem Ende zu, und die ersten Gäste spazierten bereits zum Hauptportal der

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