Ein Vampir zum Vernaschen: Argeneau Vampir 3
Hauptgang der Mahlzeit. Lucern konnte aggressive Frauen nicht ausstehen. Er war zu einer Zeit aufgewachsen, als ausschließlich Männer die Aggressoren gewesen waren und Frauen nur gelächelt und geschmachtet und ihren Platz gekannt hatten.
An die Veränderungen der letzten Jahrzehnte hatte er sich noch nicht so recht gewöhnt und sehnte sich daher nicht gerade nach einem weiteren Debakel wie Lissiannas Hochzeit, wo er den größten Teil der Veranstaltung damit verbracht hatte, den weiblichen Gästen aus dem Weg zu gehen.
Zum Glück konnte Marguerite einige dieser Befürchtungen zerstreuen, indem sie zu berichten wusste: „Ziemlich klein, verglichen mit Gregs Familie, und nach der Gästeliste zu schließen überwiegend Männer.”
„Gott sei Dank”, murmelte Bastien und wechselte einen Blick mit seinem Bruder.
Lucern nickte zustimmend. „Ist Etienne nervös?”
„Überraschenderweise nicht.” Bastien grinste schief. „Es macht ihm einen Riesenspaß, alles zu arrangieren. Er schwört, dass er die Hochzeit kaum erwarten kann. Rachel scheint ihn wirklich glücklich zu machen.” Darüber wirkte er eher verwundert.
Lucern teilte die Ansicht seines Bruders. Er konnte sich ebenfalls nicht vorstellen, seine Freiheit für eine Ehefrau aufzugeben. An der Haustür blieb er stehen, drehte sich um und sah, wie seine Mutter die Post auf dem Flurtisch untersuchte.
„Luc, du hast hier Wochen alte, ungeöffnete Post! Liest du sie denn nicht?”
„Warum so überrascht, Mutter? Er geht doch auch nie ans Telefon. Wir können schon von Glück sagen, dass er sich manchmal dazu herablässt, die Tür zu öffnen.”
Bastien sagte das durchaus gutmütig, aber der Blickwechsel zwischen ihm und ihrer Mutter entging Lucern nicht. Sie machten sich Sorgen um ihn. Er war schon immer ein Einzelgänger gewesen, aber in der letzten Zeit hatte das geradezu extreme Formen angenommen, und alle schienen sich Gedanken zu machen. Sie wussten, dass er das Leben inzwischen gefährlich langweilig fand.
„Was ist in diesem Karton?”
„Keine Ahnung”, gab Lucern zu, als seine Mutter einen großen Karton vom Tisch nahm und ihn schüttelte, als wäre er federleicht.
„Denkst du nicht, es könnte vielleicht eine gute Idee sein, es herauszufinden?”, fragte sie ungeduldig.
Lucern verdrehte die Augen. Ganz gleich, wie alt er inzwischen sein mochte, seine Mutter mischte sich ein und nörgelte. Er hatte schon lange resigniert, was das anging. „Ich komme schon noch dazu”, murmelte er. „Es ist überwiegend lästiges Zeug von Leuten, die etwas von mir wollen.”
„Was ist mit diesem Brief von deinem Verlag? Der ist vielleicht wichtig. Sie würden ihn wohl kaum per Kurier schicken, wenn er nicht wichtig wäre.”
Lucern schaute verärgert drein, als seine Mutter nach dem FedEx-Umschlag griff und ihn neugierig hin und her drehte.
„Nein, der Brief ist unwichtig. Sie gehen mir nur auf die Nerven. Der Verlag will, dass ich eine Lesereise unternehme.”
„Edwin will, dass du auf eine Lesereise gehst?” Marguerite verzog das Gesicht. „Ich dachte, du hättest ihm von Anfang an klargemacht, dass Publicity dich nicht interessiert.”
„Nicht Edwin. Nein.” Es überraschte Lucern nicht, dass seine Mutter sich an den Namen seines alten Lektors erinnerte; sie hatte ein hervorragendes Gedächtnis, und er hatte Edwin in den zehn Jahren, in denen er für Roundhouse Publishing schrieb, mehrmals erwähnt. Lucerns erste Werke waren als historische Fachbücher veröffentlicht und überwiegend an Universitäten gelesen worden.
Diese Bücher wurden immer noch benutzt und waren vor allem deshalb beliebt, weil sie geschrieben waren, als hätte der Autor jedes Zeitalter, mit dem er sich beschäftigte, tatsächlich selbst erlebt. Was in Lucerns Fall selbstverständlich auch zutraf. Aber davon wusste die Öffentlichkeit nichts.
Lucerns letzte drei Bücher jedoch waren autobiografischer Natur gewesen. Eines von ihnen erzählte die Geschichte, wie seine Mutter und sein Vater sich kennengelernt hatten, eines berichtete, wie seine Schwester Lissianna ihrem Therapeuten-Ehemann Gregory begegnet war und sich in ihn verliebt hatte, und in einem anderen, das erst vor ein paar Wochen veröffentlicht worden war, ging es um seinen Bruder Etienne und Rachel Garrett.
Lucern hatte die Bücher eigentlich nicht schreiben wollen, sie waren einfach irgendwie aus ihm herausgeflossen. Aber sobald er die Manuskripte vollendet hatte, war er zu dem Schluss gekommen, sie
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