Ein verwegener Gentleman
nur nicht auf“, sagte sie und tätschelte ihre Hand. „Männer wie Stratton haben so ein Flittchen wie Cecily Booth alsbald vergessen. Sie mag ja jünger sein, aber sie kann dir im Aussehen nicht das Wasser reichen. Ross wird ihr nicht nachtrauern, sobald er dich zur Gattin hat.“
„Oh, tatsächlich!“, stieß Elizabeth mit einem schrillen Lachen hervor. „Das Flittchen, das ich meine, ist aber meines Erachtens etwas älter als ich und blond und sehr schön. Vielleicht will er sie nicht so unbedingt loswerden. Was meinst du, wie viele von ihnen hat er?“
Ohne eine Antwort abzuwarten und entschlossen, sich nach außen gleichgültig zu zeigen, lief sie leichtfüßig die Treppe hinauf. Sie wusste, dass die Großmutter sprachlos war. Sie hatte ihr Stoff zum Nachdenken gegeben.
„Ich freue mich, dass du dieses Kleid gewählt hast. Es steht dir sehr gut.“
Elizabeth gelang es, über das Kompliment zu lächeln. Sie lehnte sich in die Sitzpolster zurück und verschränkte die Hände in ihrem Schoß.
„Bist du aufgeregt?“, fragte Edwina, während sie in ihrem prächtigen Landauer über das Kopfsteinpflaster zum Grosvenor Square rumpelten.
„Natürlich nicht!“ Als sie in dem dämmrigen Licht im Kutscheninneren erkannte, dass die Großmutter schmunzelte, lächelte Elizabeth leicht zurück. „Nun ja, ein wenig vielleicht. Es ist schon eine Weile her, seit ich mit jemandem gesellschaftlich verkehrt habe“, erklärte sie ihr Unbehagen über das bevorstehende Dinner mit den Gästen des Viscounts. Sie strich mit den Händen über den glatten pflaumenfarbenen Samt ihres modischen Kleides und fragte sich, ob jemand von den Anwesenden ihre Vorgeschichte kannte.
Edwina hatte ihr erzählt, dass die Mutter des Viscounts Cornwall selten verließ, wo sie ein ruhiges Leben führte. Es war unwahrscheinlich, dass sie sich für die Skandale der beau monde interessierte. Und sein Bruder war ein wohlhabender Aristokrat, der mit seiner Familie in Brighton lebte und sein Stadthaus in Mayfair nur selten nutzte. Elizabeth hob das Kinn. Sie hatte nicht die Absicht, bei bürgerlichen parvenus die Außenseiterin zu spielen. In erster Linie fuhr sie nämlich nicht zum Grosvenor Square, um seine Familie und seine Freunde kennenzulernen und mit ihnen zu dinieren, sondern um ihre Halskette zurückzuholen. Sie würde nichts unversucht lassen, um Jane Selby zu retten …
10. KAPITEL
„Ich bin schon immer ein kleines bisschen in Ross verliebt gewesen …“
Ein verschwörerisches Seufzen begleitete dieses Geständnis. Rebecca blickte zu dem gut aussehenden Gastgeber hinüber, der am anderen Ende des luxuriösen Salons mit ihrem geliebten Luke sprach.
„Ich glaube, wir empfinden alle so für Ross, Becky“, gab Emma Du Quesne zu, doch ihre exquisiten topasfarbenen Augen ruhten auf ihrem großen, blonden Gemahl, der bei den Trelawney-Brüdern stand. Sir Richard Du Quesnes Blick begegnete dem seiner Gattin, und sie tauschten ein Lächeln.
„Nur gut, dass unsere Ehemänner uns so vertrauen“, trug die Viscountess Courtenay zu der romantischen Debatte bei. Victoria warf ihrem Mann David einen liebevollen Blick zu, der soeben Demelza Trelawney ein Glas Ratafia brachte.
Alle Menschen in dem Salon waren durch Familie oder tiefe Freundschaft miteinander verbunden und freuten sich über die Gelegenheit, Neuigkeiten auszutauschen, während sie auf die anderen Gäste warteten.
„Sie vertrauen Ross“, sagte Emma. „Sie kennen sich alle schon so lange.“
„Seine gelegentliche Begleitung war immer sehr angenehm“, fügte Rebecca hinzu. „Aber nun scheint er mir verändert zu sein. Seine übliche Art, sich um nichts Gedanken zu machen, ist verschwunden. Vielleicht nimmt er seine Verpflichtungen endlich ernst. Er erzählte mir, er hätte Berge von Arbeit auf Stratton Hall zu erledigen, bevor es richtig bewohnbar ist. Und er scheint sehr an einer schönen Dame … interessiert zu sein, die wir beim Einkaufen getroffen haben. Vielleicht ist er gerade …“ Sie senkte ihre Stimme zu einem Flüstern. „… bei delikaten Verhandlungen mit einer neuen chère amie . Wir sind nämlich auch einer Brünetten begegnet, die er gerade fallen gelassen hat. Die Blonde ist viel schöner … und adelig. Ich glaube, Ross nannte sie Lady Soundso. Aber ich konnte nicht viel aus ihm herausbekommen.“
Auf der anderen Seite des Raumes sah Ross ärgerlich zur Kaminuhr.
„Kommt Guy Markham zu spät?“
Ross starrte seinen Bruder einen Moment lang
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