Eine franzoesische Affaere
Bestellung an einen der Tische zu bringen. Dabei
hüpfte ihr blonder Pferdeschwanz energisch auf und ab, weil sie in den weißen
Sneakers, die sie zu den Jeans-Capris und dem blau-weiß-karierten ärmellosen
Hemd trug, einen so schwungvollen Gang hatte. Typisch europäisch eben, was sie
nicht einmal verbergen konnte, wenn sie keine Absätze wie sonst trug.
„Danke,
gleichfalls.“ Fiona lächelte Sid erfreut an.
„Das Essen sieht wunderbar aus. Ich bin sicher, es wird genauso gut schmecken.“
Fiona sah Sid immer noch lächelnd hinterher. Eine Frau, die ganz offensichtlich
wirklich Spaß an ihrer Arbeit hatte. Sie war zu beneiden.
King wandte
sich mit einem warmen Lächeln dann wieder an seine Begleitung: „Ich sagte ja,
dass wir hier Stammgäste sind. Wir haben Glück, Sid ist ein Genie in der
Küche…“ Sie waren immer nur kurz ins Gespräch gekommen, so dass er nicht viel
über die hübsche Bedienung wusste. Nur dass sie erst seit ein paar Wochen in
den Staaten weilte und sich ähnlich wie er zu seiner Anfangszeit erst akklimatisieren
musste.
Nach einer
Weile, in der sie sich schweigend den ersten Bissen widmeten, fragte er:
„Fiona… Ich möchte nicht aufdringlich erscheinen, aber ich bin noch nicht sehr
lange Teil der Welt, in der Sie groß geworden sind. Meine Bekanntschaft mit den
Immaculate beschränkt sich eher auf die Ebene der Neulinge. Gibt es bestimmte
Regeln, die ich einhalten sollte, wenn ich Umgang mit Ihnen pflege? Es ist mir
nicht entgangen, dass Ihr Bruder bei der Hochzeitsfeierlichkeit ein sehr
wachsames Auge auf Sie hatte. Sie können ruhig offen mit mir sein… Ich würde
Zweifel seitens Ihrer Familie verstehen… Ich bin mit sehr strengen Regeln groß
geworden, das Leben in einem Shaolin-Kloster ist sehr reglementiert. Und ich
muss zugeben, dass ich bei meiner Patentochter auch sehr misstrauisch reagieren
würde, wenn Sie sich mit einem mir fremden jungen Mann treffen würde.“
King erwähnte
natürlich nichts von der Entführung, da das die Arbeit der Krieger betraf, über
die ja noch nichts weiter bekannt werden sollte. Fiona gehörte einer Familie
von Enforcern an, was aber nicht bedeutete, dass er sie einfach einweihen
durfte. Es konnte ja durchaus sein, dass sie der behütete Augapfel der Familie
war, wogegen er nichts einzuwenden hatte. Er hegte schließlich auch große
Beschützerinstinkte für die Frauen in seinem Leben.
Fiona hatte eine Auseinandersetzung mit ihrem Bruder erwähnt. King fragte sich,
worum da wohl gegangen sein mochte. Als Vollwaise waren ihm familiäre Vorgänge
manchmal ein großes Geheimnis.
Mit großen
Augen sah Fiona ihn an. Zweifelnd, unsicher. Nicht misstrauisch, aber auch
nicht sicher, ob er nicht doch mehr für Malcolm Verständnis hätte, wenn sie ihm
die Geschichte erzählte.
„Sagen wir
so, mein Vater würde es unter Ihrer Würde finden, mit einem Mädchen wie mir auszugehen
oder zu essen. Denn Sie sind schließlich ein Sophos. Natürlich können Sie tun
und lassen, was Ihnen beliebt, sprich auch mit mir dinieren, auf eine Feier
gehen oder...“ Hastig nahm sie einen Schluck von ihrer Cola, die Fiona zu
schnell schluckte und in ihrer Speiseröhre das Gefühl hinterließ, innerlich
einzufrieren. Ein Schauer durchlief ihren Körper, was Gänsehaut verursachte,
die nicht von den Eiswürfeln im Glas herrührte, sondern einem anderen, nur zu
bekannten Gefühl des Beobachtetwerdens.
Malcolm war
hier. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis ihr lieber Bruder an ihren Tisch
kam und den nicht einmal richtig angefangenen Abend beendete.
Sie wurde abwechselnd blass und rot. Farbspektren, die King zu ihrem Glück
genau wie ihre Gänsehaut nicht auf Anhieb oder gar nicht wahrnehmen würde und
senkte den hübschen Kopf mit Blick auf den Teller. Die Erklärung, die sie King
geben musste, war peinlich und lächerlich zugleich, aber es brachte sie
möglicherweise auch zum Weinen. Ihre Stimme, ohnehin schon leise und zart,
senkte sich zu einem Flüstern.
„Ich darf
eigentlich nicht alleine ausgehen. Sowohl mein Vater als auch meine Brüder
gehören zu den Enforcern und zu einer der angesehensten und ältesten Familien
unter den Immaculates. Sowohl Theodor als auch Malcolm haben jeder mehrere
Leben hinter sich, ich dagegen bekomme nicht mal die Chance darauf. – Ich weiß,
das klingt undankbar und meine Familie versucht nur, mich zu beschützen, aber
manchmal ist es sehr erdrückend.“
Sie legte das Besteck auf die Seite des Tellers und griff nach der
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