Eine Hand voll Asche
ihn darauf hingewiesen, dass seine Experimente auf Vorsatz deuten und damit die Nägel zu seinem Sarg sein könnten.« Roper kicherte. »Zum Teufel, ich hatte kaum das Wort ›Todesstrafe‹ ausgesprochen, da fing er an zu flennen und flehte uns um einen Handel an.«
»Wie lange wird Latham dafür kriegen?«
»Wenn der Richter mit dem Handel einverstanden ist, bekommt er zehn Jahre Haft. Kann in fünf wieder raus sein.«
»Fünf Jahre das ist nicht viel für die Tötung der eigenen Ehefrau und das Verbrennen ihrer Leiche«, sagte ich.
»Nein«, stimmte er mir zu. »Aber es ist viel mehr als gar nichts. Und dann ist da noch die Geldstrafe.«
»Was für eine Geldstrafe?«
»Die fünfundzwanzig Millionen Dollar, die gerade in Rauch aufgegangen sind.«
29
Dem Schmatzen am anderen Ende der Leitung nach zu urteilen hatte ich Art gerade beim Mittagessen erwischt. »Wenn du eine Leiche bräuchtest«, sagte ich, »wo würdest du sie besorgen?«
»Himmel, lass mich überlegen«, antwortete er. »Kenne ich vielleicht jemanden, bei dem immer mal die eine oder andere Leiche herumliegt?«
»Okay, Klugscheißer. Wenn du eine Leiche bräuchtest und könntest keine von der Body Farm kriegen, wo würdest du sie dir denn besorgen?«
»Unten in Georgia. Da sind sie aufgestapelt wie Klafterholz.«
»Zu spät«, sagte ich. »Die hatte die Kriminalpolizei zum Zeitpunkt von Garland Hamiltons Flucht schon gut unter Verschluss.«
»In dem Fall«, sinnierte er, »würde ich es vielleicht bei einem Bestattungsunternehmen versuchen. Ja, ich würde mir bei einem skrupellosen Bestatter eine frische Leiche kaufen.«
»Wie würde er den trauernden Hinterbliebenen den leeren Sarg erklären, falls die den Toten noch einmal sehen wollten?«
Er überlegte einen Augenblick. »Vielleicht müsste er das gar nicht. Er wartet einfach, bis die Verwandten ihren Verschiedenen noch einmal gesehen haben, und tauscht die Leiche dann gegen ein oder zwei Betonklötze, damit die Sargträger keinen Verdacht schöpfen.«
»Warum würde dieser Bestatter dich nicht bei der Polizei verpfeifen?«
»Weil er skrupellos ist?«
»So skrupellos, dass er einem stadtbekannten Mörder hilft, der gerade geflüchtet ist? Kommt mir sehr riskant vor«, sagte ich.
»Okay, ich geb’s auf«, sagte er. »Du bist auf eine Antwort aus, die mir nicht einfallen will. Worauf willst du hinaus?«
Ich erzählte ihm, wie ich mir ein Double besorgen würde, wenn ich versuchen wollte, meinen Tod vorzutäuschen.
»Könnte funktionieren«, sagte er schließlich.
»Könntest du die Vermisstenmeldungen durchgehen und schauen, ob etwas dabei ist?«
»Klar«, sagte er. »Oh, und Bill?«
»Ja?«
»Erinner mich daran, dass ich dir in einer dunklen Gasse niemals den Rücken zukehre.«
Ich legte lachend auf.
Eine halbe Stunde später rief er zurück. »In den letzten zwei Wochen nur eine neue Meldung«, sagte er. »Ein Teenager – eine Ausreißerin. Bist du dir ganz sicher, dass die versengten Knochen von einem Mann stammen?«
»Die Beckenknochen sind in ziemlich gutem Zustand«, sagte ich. »Es ist definitiv ein Mann. Und in dem, was von Ober- und Unterkiefer noch übrig ist, sind zwei vollständig durchgebrochene Weisheitszähne, also war er mindestens achtzehn. Wegen des Zustands der Knochen ist es schwierig, eine genauere Altersschätzung abzugeben, aber ich glaube, gesehen zu haben, dass die Wirbel einige Zeichen von Arthrose aufweisen, demnach wäre er mittleren Alters.«
»Das könnte zu deiner Theorie passen«, sagte er, »obwohl es sie noch nicht beweist. Ich habe Evers angerufen und es ihm erzählt. Die gute Nachricht ist gewissermaßen, dass er es für möglich hält.«
»Und die schlechte Nachricht?«
»Er meinte, es klänge wie die verzweifelte Jagd nach einem Phantom. Selbst wenn jemand etwas gesehen hat, wird er oder sie es kaum der Polizei erzählen.«
»Verdammt.« Das sagte ich, wie mir gerade auffiel, in letzter Zeit ziemlich oft. Ich bedankte mich bei Art und legte auf. Doch ich war noch nicht bereit, die Idee aufzugeben. Ich holte das Telefonbuch heraus und schaute eine Nummer nach.
»Büro der Pflichtverteidiger«, sagte die Frau, die am anderen Ende abhob.
»Ist Roger Nooe da?« Seine Name reimte sich, trotz des Doppel-O auf »Chloe«, ging mir durch den Kopf, während ich wartete. Bei dem Gedanken an Chloe und ihr Speed-Dating musste ich lächeln, und ich überlegte, ob sie inzwischen einen aussichtsreichen Kandidaten kennen gelernt hatte.
Roger
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