Eine Hand voll Asche
der gemauerte Kamin, der knapp einen halben Meter über dem Fußboden lag, war kaum nass. Ich schob die Füße über den Boden, um nicht auf irgendwelche Knochen zu treten, und nutzte den Kamin als improvisierten Labortisch, wo ich unsere Ausrüstung auslegte. Die Fliegengitter von der Art, wie sie auch Archäologen benutzen, waren von unten an Holzrahmen genagelt. Beim Sieben von Erdreich sorgte der Rahmen dafür, dass das zu siebende Material nicht seitlich vom Gitter rutschte. Da die Knochen hier wahrscheinlich feucht waren, legte ich die Siebe umgedreht auf den Kamin, sodass das Gitter ein gutes Stück über dem Boden war und das Knochenmaterial trocknen konnte.
»Okay«, sagte ich, »da nur wenige Schritte von hier ein Schädel liegt, fangen wir vom Kamin aus an zu suchen. Auf allen vieren, etwa sechzig Zentimeter auseinander.« Ich gab allen eine Kelle und einen feinen Pinsel und demonstrierte kurz, wie man diesen benutzte, um kleine Knochen freizulegen und zu säubern. »Art, du und Jim, ihr fangt an den Ecken des Kamins an; Miranda und ich nehmen die Mitte. Von hier arbeiten wir uns zur Mitte des Hauses vor und von da am Rand zurück. So fangen wir da an, wo wir wissen, dass wenigstens etwas zu finden ist. Lasst euch Zeit; seht euch alles an und betastet alles, bis runter zum Estrich. Tretet in Kontakt mit dem inneren Kleinkind, das gerne im Dreck gespielt hat. Wenn ihr nicht sicher seid, was ihr vor euch habt, fragt Miranda oder mich.«
Ich ließ mich auf Händen und Füßen nieder, und die anderen taten es mir nach. Der Estrich war buchstäblich in einen riesigen Aschenbecher verwandelt worden, der mehrere Schichten verbrannter Trümmer enthielt: den Kellerinhalt, die Balken und Dielenbretter der Kellerdecke, die Möbel aus dem Erdgeschoss, die Balken und Dielenbretter der Decke des Erdgeschosses, die Möbel aus dem ersten Stock, die Balken und Dielenbretter der Decke des ersten Stocks und die Überreste der Dachbalken und des Dachs. Die Explosion hatte einen großen Teil des Daches weggepustet, und die Flammen hatten aus dem Haus einiges in einer Wolke brennender Funken in die Luft getragen. Die Schuttschicht hätte also noch um einiges dicker sein können. Trotzdem kamen wir nur langsam voran, und ich hatte das dumpfe Gefühl, dass wir von Glück reden konnten, wenn wir mit der Suche bis Sonnenuntergang fertig waren.
Ich hatte mit dem Schädel natürlich einen guten Start hingelegt, doch Miranda, die einen halben Meter links von mir arbeitete, fand innerhalb weniger Minuten die ersten Knochen. »Fingerknochen«, sagte sie und stieß die Spitze ihrer Kelle sanft in die feuchte Asche. »Linke Hand. Handgelenk. Armbanduhr.« Ihre Stimme klang klinisch und distanziert, doch ich kannte sie gut genug, um ihre Aufregung herauszuhören.
»Hier sind Radius und Ulna«, sagte sie einen Augenblick später.
»Langsamer«, neckte ich sie. »Gegen Sie wirken wir Übrigen ja wie Faulpelze.« An diesem Punkt versuchten wir nicht, alles zu bergen und einzutüten; zunächst bürsteten wir nur die obersten Schuttschichten ab und legten die Knochen frei, wo sie lagen. »Brille«, sagte ich. Sie kam mir bekannt vor – sie sah aus wie die Nickelbrille, die Garland Hamilton getragen hatte –, doch ich ermahnte mich, dass Nickelbrillen weit verbreitet waren.
Mirandas Pinsel huschte hin und her. »Ein Humerus. Der Arm ist in pugilistischer Haltung gekrümmt.«
O’Conner, der sich auf der anderen Seite von Miranda an der Wand entlangarbeitete, wirkte verdutzt. »Pugilistisch? Ist das nicht ein altmodisches Wort für boxen? Die vornehme Art des Faustkampfs?«
»Bingo«, sagte ich.
Jetzt war er noch verdutzter.
»Wenn eine Leiche dem Feuer ausgesetzt ist«, erklärte ich ihm, »trocknen die Muskeln aus und schrumpfen dabei.«
»Sie meinen, sie braten?«
»So könnte man es auch ausdrücken. Und die Flexormuskeln – die Armmuskeln, die man braucht, um eine Faust zu machen und an den Körper zu ziehen – sind stärker als die Extensormuskeln und ziehen die Finger und Arme an den Körper. Ähnliches geschieht bei den Beinen.«
»Dann nimmt eine Leiche, die verbrennt, eine Boxerhaltung ein?« O’Conner ballte die erhobenen Fäuste und nahm die entsprechend geduckte Körperhaltung ein.
»Genau. Außer es gibt irgendeinen Grund, der das verhindert.«
»Was zum Beispiel?«
»Etwa, wenn Arme und Beine gefesselt sind. Ich habe einmal an einem Fall gearbeitet, wo in einem Schlafzimmer eine verbrannte Leiche gefunden
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