Eine unberührte Welt - Band 1 (German Edition)
waren Konrad und ich so weit, die Geheimhaltung aufgeben und andere Wissenschaftler um Rat fragen zu wollen, doch Dieter bewahrte uns mit seinem Veto vor diesem Schritt. Entweder lösten wir das Rätsel selber, oder es würde ungelöst bleiben.
Die einzige nennenswerte Beobachtung machte Konrad, und damals hielten wir das zweifellos beide für eine Bagatelle. Er stellte fest, dass der Stromverbrauch des Feldes zunahm.
»Der Stromverbrauch?«, wiederholte ich irritiert.
»Am Anfang«, erklärte Konrad, »lag der Stromverbrauch bei 2,907 Watt. Steht an mindestens zwanzig Stellen in unseren alten Aufschrieben vermerkt. Heute dagegen beträgt er 3,112 Watt.«
Das Gespräch fand in unserem Besprechungszimmer statt. Ich hatte den ganzen Vormittag, anstatt Bücher über Quantenphysik zu studieren, die Andrucke des neuen Leistungskatalogs von Dieters stetig expandierender Firma korrekturgelesen. Ich schob das ganze Zeug von mir weg und meinte: »Drei Watt? Ist ja wahrhaftig nicht die Welt.«
Konrad nickte. »Aber es ist eigenartig, oder? Als würde alles, was in dem Feld verschwindet, dazu beitragen, eine Art Druck aufzubauen. Und je höher der wird, desto mehr Strom verbraucht das Feld.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Gut, aber ich sehe das Problem nicht. Das Feld könnte tausend Kilowatt brauchen und würde uns immer noch reich machen.«
Das war eindeutig die falsche Antwort. Konrad sah mich an, seine Augen hinter der Brille wurden größer, und ein enttäuschter Ausdruck verfestigte sich in ihnen.
»Die wissenschaftlichen Zusammenhänge interessieren dich im Grunde nicht mehr, stimmt’s?«, fragte er leise.
Was hätte ich darauf sagen sollen? Er hatte recht. Die wissenschaftlichen Zusammenhänge interessierten mich tatsächlich nicht mehr. Seit ich angefangen hatte, in der Firma meines Bruders mitzuarbeiten, fand ich die wirtschaftlichen Perspektiven der ganzen Sache weitaus interessanter.
Vor allem, als Konrad kurz darauf entdeckte, dass man das Feld teilen konnte. Dazu brauchte nur eine simple Magnetspule, auf eineganz bestimmte Art und Weise gewickelt und mit Strom versorgt, in die Nähe gebracht zu werden, und das Feld sprang über wie von einer Kerze auf ein Streichholz. Es war zum Schreien einfach.
Ich hatte sofort die Vision einer Welt vor Augen mit Millionen von Ablegern unseres Feldes, in denen aller Müll und aller Abfall verschwand.
Nur: Mein Bruder war dagegen. Und dummerweise hatte er laut Vertrag das letzte Wort hinsichtlich der Verwertungsmöglichkeiten des Feldes.
Und Verträge lesen, das konnte er.
»Nein, nein und nochmals nein«, fauchte er, als ich das Thema zum bestimmt fünfzigsten Mal aufs Tapet brachte. »Wie oft müssen wir noch darüber diskutieren? Mein Geschäft ist es, Müll verschwinden zu lassen. Nicht, Geräte zu bauen, mit denen die Leute ihren Müll selber verschwinden lassen können. Und jetzt Schluss; ich muss gleich fort.«
Während er in Ordnern und Ablagen wühlte, Papiere daraus hervorzog und in seinen abgeschabten Aktenkoffer warf, sagte ich, auf die segensreiche Wirkung der Kombination von Beharrlichkeit und Ruhe hoffend: »Es ist das größere Geschäft, Dieter. Damit werden wir zu einem Weltkonzern.«
»So? Werden wir das?« Dieter lachte trocken. »Ich will dir mal was sagen: Einen Scheißdreck werden wir. Erledigt sind wir, sobald wir das Feld aus der Hand geben. Weißt du, was die Firmen, die schon Weltkonzerne sind, nämlich tun werden? Ihre eigenen Ableger davon, genauso einfach, wie ihr das macht. Dann machen sie das Geschäft selber, und wir sind außen vor.«
Ich holte den Ordner hervor, den ich mitgebracht hatte, und legte ihn auf den Tisch. »Ich habe drei Rechtsgutachten erstellen lassen, unabhängig voneinander. Sie besagen übereinstimmend, dass das Patentrecht uns erlaubt, eventuelle Käufer von Geräten durch Lizenzverträge dahingehend zu binden, keine eigenen Ableger des Feldes herzustellen.«
Dieter hielt inne, beäugte mich, den Ordner, dann wieder mich. »Das Patentrecht? Dass ich nicht lache. Jens, du hast das Feld nicht erfunden – du hast es nur gefunden! Du hast nicht den Hauch einer Ahnung, wie es funktioniert, das sagst du doch selber. Wie willst du auf der Grundlage eine Patentschrift formulieren?«
»Na und?«, versetzte ich. »Alle die Leute, die irgendwelche Gene patentieren, haben sie auch nicht erfunden, sondern nur gefunden. Und wie sie funktionieren, wissen sie auch nicht. Trotzdem verletzt du, wenn du diese Gene
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