Eine Zuflucht aus Rosen
beugte sich zu ihr vor und obwohl Tricky nicht hören konnte, was Maddie ihm erzählte, erhob er sich wieder und nickte zufrieden.
Gerade als er sich abwenden wollte, wurde die Tür zur Treppe wieder aufgestoßen und Clem stolperte – mit gefesselten Händen – herein, gefolgt von Fantin und Tavis.
* * *
Unruhig ging Gavin im Wald gerade noch in Sichtweite der Eiche auf und ab, sein Magen ein einziger verzweifelter Knoten. Die Sonne war fast untergegangen und kein Anzeichen von Clem oder Tricky. Er ballte die Hände zu Fäusten und wusste: Aus der Tatsache, dass sie nicht rechtzeitig erschienen, konnte man schließen, dass etwas gründlich schiefgegangen war.
Die grauen Schatten waren schon lang und verfärbten sich jetzt gerade schwarz, als er die Bewegung eines Schattens auf dem Hügel hinter der Eiche wahrnahm. Dieser war zu schmal, um von Clem und viel zu groß um von Patricka zu stammen. Gavin packte sein Schwert fester und wartete mit angehaltenem Atem.
„Mal Verne?“ Der Klang seines Namens, der durch die kühle Sommerluft zu ihm schwebte, erreichte ihn. „Ich komme, um zu helfen.“
Gavin rührte sich nicht. Er hielt weiterhin den Atem an.
„Mal Verne.“ Der Mann kam näher an die Eiche heran und hielt dabei die Hände vor sich, damit Gavin selbst in der Dunkelheit noch erkennen konnte, dass er keine Waffen bei sich trug. „Man hat Euren Soldaten Clem ergriffen ... und auch das Mädchen hat man gefangen genommen.“ Er unterbrach sich, als wolle er abschätzen, welche Wirkung seine Worte hätten. Gavin schwieg weiterhin, auch wenn er einen geräuschlosen Schritt nach vorne tat.
„Ich habe mit Madelyne gesprochen“, fuhr der Mann fort. „Mein Name ist Seton de Masin ... sie kennt mich schon aus ihren Kindertagen... Ihre Nachricht an Euch ist, dass Ihr mir vertrauen könnt. Ihr werdet dies an den Worten erkennen, die ich jetzt zu Euch spreche: Madelyne gab Euch einen Rosenkranz, mit Perlen aus Rosenblättern gemacht, als Ihr zum ersten Male in das Kloster kamt. Und Ihr tragt diesen immer noch bei Euch. Und sie möchte, dass Ihr wisst, sie liebt Euch.“
Gavin trat aus den Schatten heraus, sein Misstrauen ausgeräumt. Er hatte niemandem von jenen Perlen erzählt. Selbst Madelyne hatte nicht gewusst, dass er sie bei sich führte, erst nachdem sie vermählt waren und das Gemach teilten. „De Masin.“ Er streckte den Arm aus und sie gaben einander die Hände. „Ist sie am Leben? Ist sie verletzt?“
De Masin zögerte und Gavin sackte der Magen weg. „Sie ist am Leben, sie kann sprechen, aber sie ist verletzt. Ich konnte die beiden ... gestern Nacht ... nicht von ihr fernhalten. Sie wird sich wieder erholen, wenn wir sie von jenem Ort fortschaffen können.“
Gavin kämpfte gegen die entsetzlichen Bilder und Gedanken in seinem Kopf an. Er musste stark sein und einen kühlen Kopf bewahren, wenn er irgendeine Chance haben wollte sie zu retten. „Könnt Ihr mich einschleusen? Ich will Fantins Kopf auf einem Silbertablett sehen. Nein, er wird einen qualvollen Tod sterben ... langsam und qualvoll...“
„Ja. Wie viele Männer habt Ihr?“
„Fünf, und dann noch mich und meinen Mann da drin.“
Seton nickte da kurz und machte dann Zeichen. „Kommt, lasst uns gehen. Uns bleibt nur noch wenig Zeit.“
Neunundzwanzig
Madelyne zwang sich die Augen zu öffnen.
Der bittere Geruch der brennenden Kerzen, andere Gerüche, die sie nicht zuzuordnen wünschte und der pochende Schmerz überall an ihrem Körper raubten ihr fast die Sinne. Der Geschmack der letzten bitteren, fauligen Flüssigkeit, die man ihr die Kehle runtergezwungen hatte, versetzte ihren Magen immer noch in Aufruhr. Es gelang ihr nicht das Stöhnen zu unterdrücken und sie wurde belohnt, als das Gesicht ihres Vaters vor ihrem eigenen auftauchte.
Sie verkniff sich einen Schrei und schloss die Augen, um sich von seinem Gesicht abzuwenden. Das Bild davon hatte sich nun in ihr Gedächtnis eingebrannt: leere Augen mit winzigen Punkten von Schwarz im Zentrum, ein breiter, grinsender Mund und eine dichte Masse von weißem Haar, das ebenso wirr war, wie das entzückte Lachen, das da aus ihm hervorbrach.
Sie befand sich wieder an der Wand, nachdem man sie aus ihrer liegenden Position auf dem Tisch geholt und wieder an den kalten Stein gekettet hatte. Die rauen Ränder der Quader hinter ihr zerschürften ihr die geschundene Haut. Und ihre Arme, die bis zum Äußersten angespannt waren, waren schon wie abgestorben. Sie konnte kaum noch
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