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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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ein Mann namens Williams ermordet ziemlich zufällig einen Mann namens Williamson, was wie nach Kindsmord klingt. Kurz: im Leben findet sich ein Element zauberischer Zufälligkeit, die Menschen, welche mit dem Prosaischen rechnen, ständig verpassen. Poe hat das in seinem Paradox hervorragend ausgedrückt: Weisheit sollte mit dem Unvorhergesehenen rechnen.
    Aristide Valentin war unermeßlich französisch; und die französische Intelligenz ist reine und ausschließliche Intelligenz. Er war keine »Denkmaschine«; das ist eine hirnlose Phrase des modernen Fatalismus und Materialismus. Eine Maschine ist nur deshalb eine Maschine, weil sie nicht denken kann. Aber er war ein denkender Mann, und ein normaler Mann zugleich. All seine wunderbaren Erfolge, die wie Zauberstücke aussahen, waren durch mühselige Logik, durch klares und gewöhnliches französisches Denken errungen worden. Die Franzosen erregen die Welt nicht, indem sie ein Paradox auf den Weg bringen, sondern indem sie eine Alltäglichkeit verwirklichen. So weit treiben sie ihre Alltäglichkeiten – wie in der Französischen Revolution. Gerade weil aber Valentin die Vernunft verstand, verstand er auch die Grenzen der Vernunft. Nur wer von Motoren nichts versteht, spricht vom Autofahren ohne Benzin; nur wer nichts von Vernunft versteht, spricht von Vernunft ohne feste unbestrittene Grundsätze. Hier hatte er keine festen Grundsätze. Flambeau war in Harwich nicht gefaßt worden; und wenn er sich überhaupt in London aufhielt, mochte er alles mögliche sein, von einem großen Landstreicher auf den Wiesen von Wimbledon bis zu einem großen Chef de Rang im Hotel Metropole. In derartig nackten Zuständen des Nichtwissens hatte Valentin seine eigene Sichtweise und Methode.
    In solchen Fällen rechnete er mit dem Unvorhergesehenen. In solchen Fällen, in denen er nicht der Spur des Vernünftigen folgen konnte, folgte er kühl und sorgfältig der Spur des Unvernünftigen. Statt die richtigen Plätze aufzusuchen – Banken, Polizeistationen, Treffpunkte –, suchte er systematisch die falschen Plätze auf; klopfte an jedem leerstehenden Haus, ging in jede Sackgasse, durchwanderte jede mit Abfällen verstopfte Straße, folgte jeder Straßenbiegung, die ihn nutzlos vom Wege abführte. Er verteidigte diesen verrückten Kurs höchst logisch. Er sagte, wenn man einen Anhaltspunkt habe, so sei dies der schlechteste Weg; wenn man aber überhaupt keinen Anhaltspunkt habe, sei es der beste, denn dann bestünde immerhin die Möglichkeit, daß irgendeine Kuriosität, die das Auge des Verfolgers fesselte, auch das Auge des Verfolgten gefesselt habe. Irgendwo muß ein Mann anfangen, und am besten da, wo ein anderer Mann aufhören würde. Irgend etwas an der Stufenflucht hinauf zum Geschäft, irgend etwas an der Stille und am altmodischen Aussehen des Restaurants erweckte die ganze rare romantische Phantasie des Detektivs und brachte ihn zu dem Entschluß, aufs Geratewohl zuzuschlagen. Er stieg die Stufen hinauf, setzte sich am Fenster nieder und bestellte eine Tasse schwarzen Kaffees.
    Der Morgen war schon halb vorüber, und er hatte noch nicht gefrühstückt; ein paar Überreste anderer Frühstücke standen auf dem Tisch herum und erinnerten ihn an seinen Hunger; und indem er seine Bestellung um ein pochiertes Ei ergänzte, schüttete er nachdenklich weißen Zucker in seinen Kaffee und dachte während der ganzen Zeit an Flambeau. Er dachte daran, wie Flambeau einmal mit Hilfe einer Nagelschere entkommen war und einmal durch ein brennendes Haus; einmal, weil er für einen unfrankierten Brief zahlen mußte, und einmal, indem er Menschen dazu brachte, durch ein Fernrohr einen Kometen zu beobachten, der die Welt zerstören könne. Er hielt sein Detektivgehirn für so gut wie das des Verbrechers, was wahr war. Doch erkannte er auch ganz klar seinen Nachteil: »Der Verbrecher ist der schöpferische Künstler; der Detektiv nur der Kritiker«, sagte er mit säuerlichem Lächeln, führte die Kaffeetasse langsam zum Munde und setzte sie sehr schnell wieder ab. Er hatte Salz hineingeschüttet.
    Er sah sich das Gefäß an, aus dem das silbrige Pulver gekommen war; es war unzweifelhaft eine Zuckerdose; ebenso unzweifelhaft für Zucker bestimmt wie eine Champagnerflasche für Champagner. Er fragte sich, warum man wohl Salz hineingefüllt haben mochte. Er sah sich um nach anderen konventionellen Gefäßen. Ja, da gab es zwei volle Salzstreuer. Vielleicht gab es irgend etwas Besonderes an der

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