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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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bedeutet denn all dieser Schnupftabak?«
    »Mein Freund«, erwiderte Brown mit gleicher Ernsthaftigkeit, »alle echten Religionen kennzeichnet eines: ihr Materialismus. Und Teufelsanbetung ist eine wahrlich echte Religion.«
    Sie hatten das grasige Haupt des Hügels erreicht, eine der wenigen kahlen Stellen, die sich aus dem krachenden und röhrenden Föhrenwald erhoben. Ein billiger Zaun, teils aus Holz und teils aus Draht, klapperte im Sturm und wies ihnen die Grenze des Friedhofs. Als aber Inspektor Craven endlich die Ecke des Grabes erreicht und Flambeau seinen Spaten, Spitze nach unten, abgesetzt und sich darauf gestützt hatte, waren sie beide fast ebenso wackelig wie der wackelige Zaun aus Holz und Draht. Zu Füßen des Grabes wuchsen große hohe Disteln, grau und silbern in ihrem Verfall. Manchmal, wenn sich ein Ball aus Distelwolle im Winddruck löste und an ihm vorbeiflog, zuckte Craven zusammen, als wäre es ein Pfeil.
    Flambeau trieb das Blatt seines Spatens durch das zischelnde Gras in die nasse Erde darunter. Dann schien er innezuhalten und sich darauf zu stützen wie auf einen Stab.
    »Weiter«, sagte der Priester sehr sanft. »Wir versuchen nur, die Wahrheit herauszufinden. Wovor haben Sie Angst?«
    »Davor, sie zu finden«, sagte Flambeau.
    Der Londoner Detektiv sprach plötzlich mit einer hohen krähenden Stimme, die eine fröhliche Gesprächsstimme sein sollte. »Ich frage mich, warum er sich wirklich so versteckt hat. Irgendwas Übles, nehme ich an; war er ein Aussätziger?«
    »Schlimmer als das«, sagte Flambeau.
    »Und was stellen Sie sich vor«, fragte der andere, »könnte schlimmer sein als aussätzig?«
    »Ich stelle es mir nicht vor«, sagte Flambeau.
    Er grub während einiger scheußlicher Minuten schweigend weiter und sagte dann mit erstickter Stimme: »Ich fürchte, der hier hat nicht die richtige Form.«
    »Die hatte auch jenes Stück Papier nicht«, sagte Father Brown ruhig, »und wir überlebten sogar jenes Stück Papier.« { * }
    Flambeau grub in blindem Eifer weiter. Aber der Sturm hatte die erstickenden grauen Wolken beiseite geschoben, die an den Hügeln hingen wie Rauch, und graue Felder schwachen Sternenlichtes enthüllt, ehe Flambeau den Umriß eines rohen Holzsargs freigelegt und den irgendwie auf den Rasen gekippt hatte. Craven trat mit seiner Axt hervor; eine Distelspitze berührte ihn, und er fuhr zusammen. Dann trat er entschlossener vor und hackte und hebelte mit ebensolchem Eifer wie Flambeau drauflos, bis der Deckel abgesprengt war und alles, was da war, schimmernd im grauen Sternenlicht lag.
    »Knochen«, sagte Craven, und dann fügte er hinzu: »aber das ist ja ein Mann«, als ob das etwas Unerwartetes wäre.
    »Ist er«, fragte Flambeau mit einer Stimme, die seltsam auf und nieder schwankte, »ist er in Ordnung?«
    »Scheint so«, sagte der Beamte heiser und beugte sich über das undeutliche verfaulende Skelett in der Kiste. »Einen Augenblick.«
    Ein mächtiger Schauder überlief Flambeaus riesige Gestalt. »Wenn ich jetzt darüber nachdenke«, schrie er, »warum im Namen des Wahnsinns sollte er nicht in Ordnung sein? Was packt einen Mann in diesen verfluchten kalten Bergen? Ich glaube, das ist die schwarze hirnlose Gleichförmigkeit; all diese Wälder, und über allem das uralte Grauen des Unbewußten. Das ist wie der Traum eines Atheisten. Föhren und noch mehr Föhren und millionenmal mehr Föhren – «
    »Um Gottes Willen!« schrie der Mann am Sarg. »Er hat ja keinen Kopf.«
    Während die anderen erstarrten, zeigte der Priester zum ersten Mal das Zusammenzucken der Betroffenheit.
    »Keinen Kopf!« wiederholte er. »Keinen Kopf?«, als hätte er eher irgendeinen anderen Mangel erwartet.
    Halbverrückte Vorstellungen von einem kopflosen Säugling, geboren zu Glengyle, von einem kopflosen Jüngling, der sich in der Burg verbarg, von einem kopflosen Mann, der jene alten Hallen oder jenen üppigen Garten durchschritt, zogen wie ein Panorama durch ihren Sinn. Aber nicht einmal in diesem erstarrten Augenblick schlug diese Saga Wurzeln in ihnen und schien auch keinen Sinn zu ergeben. Sie standen und lauschten den lauten Wäldern und dem heulenden Himmel, töricht wie erschöpfte Tiere. Denken schien etwas Ungeheures zu sein, das plötzlich ihrem Zugriff entschlüpft war.
    »Da stehen also drei kopflose Männer«, sagte Father Brown, »rund um das offene Grab.«
    Der blasse Detektiv aus London öffnete den Mund, um zu reden, und ließ ihn wie der Dorftrottel

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