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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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Glengyle Geborenen einem guten Menschen am nächsten. Aber seine bittere Tugend wandelte sich zur Menschenfeindlichkeit; er grämte sich über die Unredlichkeit seiner Vorfahren und verallgemeinerte daraus eine Unredlichkeit aller Menschen. Insbesondere aber mißtraute er jeglicher Menschlichkeit oder Freigebigkeit; und er schwor: Wenn er einen Mann fände, der nur nehme, was ihm exakt zustehe, dann solle der alles Gold der Glengyles haben. Nachdem er so der Menschheit den Fehdehandschuh hingeworfen hatte, schloß er sich ein, ohne auch nur im mindesten zu erwarten, daß er eine Antwort darauf erhielte. Eines Tages aber brachte ihm ein tauber und scheinbar schwachsinniger Bursche aus einem entfernten Dorf ein verspätetes Telegramm; und Glengyle gab ihm in ätzendem Hohn einen funkelnagelneuen Farthing. Zumindest bildete er sich das ein, aber als er seine Münzen zählte, war der neue Farthing noch da und ein Sovereign verschwunden. Dieser Zwischenfall bot ihm weite Aussichten auf zynische Überlegungen. Der Bursche würde auf jeden Fall die schmierige Gierigkeit der Art beweisen. Entweder würde er verschwinden, der Dieb einer Münze; oder er würde tugendsam mit ihr zurückgekrochen kommen, der Heuchler in Erwartung einer Belohnung. Mitten in der Nacht wurde Lord Glengyle aus seinem Bett gepocht – denn er lebte allein – und mußte dem tauben Schwachsinnigen die Tür öffnen. Der Schwachsinnige brachte ihm nicht etwa den Sovereign, sondern exakt 19 Schilling 11 Pence und 3 Farthings Wechselgeld.
    Die wilde Korrektheit dieses Tuns erfaßte das Hirn des verrückten Lords wie Feuer. Er schwor, daß er Diogenes sei, der lange einen ehrlichen Menschen gesucht und schließlich einen gefunden habe. Er verfaßte ein neues Testament, das ich gesehen habe. Er nahm den buchstäblichen Knaben in sein weitläufiges vernachlässigtes Haus auf und erzog ihn sich zu seinem einzigen Dienstboten und – in einer eigentümlichen Weise – zu seinem Erben. Und was immer dieses absonderliche Geschöpf verstehen mag, es verstand vollkommen die beiden fixen Ideen seines Herrn: erstens, daß der Buchstabe des Gesetzes alles ist; und zweitens, daß er das Gold der Glengyles erben solle. So weit so gut: und soweit ist auch alles einfach. Er hat das Haus von Gold entblößt, und nicht ein Gramm genommen, das kein Gold war; nicht soviel wie ein Gramm Schnupftabak. Er hob selbst das Blattgold einer alten Illumination ab und war vollkommen zufrieden, daß er den Rest unzerstört ließ. Alles das habe ich verstanden; aber ich konnte diese Geschichte mit dem Schädel nicht verstehen. Der menschliche Kopf, zwischen Kartoffeln vergraben, bedrückte mich wirklich. Es machte mir Sorgen – bis Flambeau das Wort sagte.
    Jetzt wird alles in Ordnung kommen. Er wird den Schädel zurück ins Grab bringen, sobald er das Gold aus dem Zahn genommen hat.«
    Und wirklich, als Flambeau an jenem Morgen den Hügel überquerte, sah er jenes sonderbare Wesen, den gerechten Geizhals, wie er an dem geschändeten Grab grub, den Schal um den Hals im Bergwind flatternd; den nüchternen Zylinder auf dem Kopf.

Die falsche Form
     
    E inigeder großen Straßen, die von London aus nach Norden gehen, setzen sich tief ins Land hinein fort als eine Art verdünnten und durchlöcherten Gespenstes einer Straße, das trotz großer Lücken zwischen den Häusern die Idee der Straße aufrechterhält. Da gibt es eine Gruppe Läden, gefolgt von einem umzäunten Feld oder einer Pferdekoppel, und dann eine berühmte Gaststätte, und dann vielleicht eine Gemüsegärtnerei oder eine Baumschule, und dann eine einsame weitläufige Villa, und dann ein weiteres Feld und ein weiteres Wirtshaus, und so fort. Wer nun eine dieser Straßen durchwandert, der wird an einem Haus vorüberkommen, das möglicherweise seinen Blick fesseln wird, obwohl er seine Anziehungskraft nicht zu begründen vermag. Es ist ein langes niedriges Haus, parallel zur Straße, vorwiegend weiß und blaßgrün gestrichen, mit einer Veranda und Sonnenblenden, mit erkerähnlichen Vorbauten unter jenen wunderlichen Kuppeln wie hölzerne Regenschirme, die man noch in einigen altmodischen Häusern antreffen kann. Und in der Tat ist es ein altmodisches Haus, sehr englisch und sehr vorstädtisch im guten alten wohlstandatmenden Sinn von Clapham. Und doch ruft das Haus den Eindruck hervor, als sei es vor allem für heißes Wetter gebaut. Wenn man auf den weißen Anstrich blickt und auf die Sonnenblenden, denkt man undeutlich an

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