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Einmal scheint die Sonne wieder

Einmal scheint die Sonne wieder

Titel: Einmal scheint die Sonne wieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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weil er zu unwahrscheinlich, und über Katarrh, weil er zu alltäglich war, und hatte wieder die Schwindsucht hervorgeholt, kräftig aufgeschüttelt und über unseren Häuptern aufgehängt.
    Nach dem Bad zogen Mary und ich Sweater und schwarze Pumphosen an, Cleve Kniehose und Hemd, und dann gingen wir alle verdrossen die Treppe hinunter. Unsere Zimmer waren im dritten Stock. Im zweiten schlossen sich uns unsere Schwester Dede ein, die noch zu klein war für die kalten Bäder, und Mutter, die keine Lust dazu hatte und unausgeschlafen war. Die Treppe herauf tönte aus dem ersten Stock der laute und kräftige Rhythmus von „Unser Direktionsmarsch“. Es war Schallplatte Nr. 1 der Viktor-Gymnastikplatten. „Beeilen!“ rief Vater aus dem Hauseingang, wo er mit Gammy wartete. Wir stolperten in Reih und Glied, als der näselnde Mann auf der Schallplatte gerade begann: „Hände auf die Hüften, Füße zusammen! Kopf hoch, Schultern zurück! Bei eins die Arme heben.. Die Musik begann: „Daaaaaa, da, da, dada, da… daaaa, da, da, da…“ Es ging los.
    Gammy sah uns eine Weile zu und ging dann mit einem, „arme kleine Dinger“ in die Küche hinaus, um entweder Brei oder Eierkuchen zu machen. Es war reiner Zufall, welches das Schlimmere war. Der Brei, ständig aus Hafermehl, war grau und klüterig, und die Eierkuchen, groß und von außen schön gebräunt, schmeckten, als seien sie über einem Wollschlägel aneinandergenäht. Auf diese Leckereien konnten wir uns freuen, wenn wir nach der Gymnastik um den Block liefen.
    Sonnabends morgens nach den kalten Bädern setzte Vater an Stelle der Gymnastik Tennis an. Mit forschem Schritt ging er voraus und führte seine widerspenstigen Kinder durch die morgenstillen Straßen in einen etwa zehn Häuserblöcke entfernten Park, wo sich Tennisplätze befanden, die zu dieser unseligen Stunde immer frei waren. Vater brachte uns bei, was ein guter Rückhandschlag ist, wie man Punkte anschreibt und die Bälle placiert. Durch einen eleganten Hieb mit seinem Tennisschläger auf unser Hinterteil belehrte er uns, daß sich beim Doppel beide Partner am Spiel beteiligen – auch wenn der eine Vater ist –, und sich nicht etwa einer schwer aufs Netz stützt, den Mund aufsperrt und an das erst so kürzlich verlassene, warme Bett denkt. Vater erklärte uns finster, daß es auch wenig von gutem Sportgeist zeuge, wenn wir uns nach jedem Satz gegenseitig mit unseren Schlägern auf den Kopf hauten. Er lehrte uns, übers Netz zu springen und uns nach dem Spiel die Hände zu schütteln. Häufig begleiteten wir das Händeschütteln mit herausgestreckter Zunge oder Grimassen des Erbrechens, was Vater, der Sinn für Humor hatte, übersah.
    Zwei Jahre später bekamen Mary und ich bei den Tennismeisterschaftsspielen für Mädchen in der St. Nicholas-Schule den zweiten Preis, und obwohl unser Tennisspiel sehr zu wünschen übrigließ, erregten wir Aufsehen durch unseren guten Sportgeist und unseren Sprung übers Netz. Cleve ist heute noch ein guter Tennisspieler, aber ich glaube nicht, daß er noch an den alten Parkgewohnheiten festhält.
    Nach dem Tennis frühstückten wir und gingen dann zum Turn- und Schwimmunterricht in die Stadt. Ich glaube, mein ursprünglicher Haß auf alle Leibesübungen und alle Turnlehrer wurde in jenen frühen Jahren im CVJM gezüchtet. Die Lehrerinnen waren immer große, männliche Frauen mit kurzgeschnittenen Haaren und sadistischen Neigungen. Sie ließen uns die Seile bis zur Decke hochklettern und wieder hinunterrutschen, was in den Händen brannte und für immer Risse in unseren schwarzen Satin-Turnhosen hinterließ. Sie stellten das große braune Lederpferd so hoch ein, daß wir, falls es uns gelang, mit einem Laufsprung in die Grätsche zu kommen, auf der andern Seite vornüber auf den Boden schlugen. Sie nannten uns ungeschickt, faul und langsam. Sie brüllten„Höher! Höher! HÖHER!“, wenn wir sprangen, und schüchterten uns so ein, daß wir mit dem verkehrten Fuß anfingen und kleine Wackelhüpfer machten anstatt der weiten, rasanten Sprünge, die sie von uns erwarteten.
    Sie ließen uns zum Appell in Reih und Glied antreten, Hände auf den Hüften, Füße zusammen, Kopf nach links gewandt. Wenn unsere Namen gebrüllt wurden, mußten wir forsch aus der Reihe treten, uns der Front zu wenden, „hier!“ sagen, zurücktreten und wieder nach links blicken. Irgendwer machte immer einen Fehler, und dann mußten wir wieder von vorn anfangen. In der Klasse waren ungefähr

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