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Einmal scheint die Sonne wieder

Einmal scheint die Sonne wieder

Titel: Einmal scheint die Sonne wieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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ERSTES KAPITEL
    „O Herr! Mein Herr!“

Der Herr aller dieser Boten des Todes, die auf ihn zukamen, um ihn fortzuholen, war die Schwindsucht, denn sie war es, die ihn ins Grab brachte.

    Bunyan: Leben und Tod des Mr. Badman

    Mitten im Leben von Schwindsucht befallen zu werden, das ist, wie wenn man sich zu einem Gang in die Stadt aufmacht, um eine Menge von Besorgungen zu erledigen, und von einem Autobus angefahren wird. Wenn man wieder zum Bewußtsein kommt, weiß man nichts mehr von dringenden Besorgungen. Man kann sich noch nicht einmal erinnern, wohin man unterwegs war. Was allein von Bedeutung ist, ist der Schmerz im Bein, das wunde Gefühl im Rücken, was es zu Mittag gibt, wer im Bett nebenan liegt.
    Ihrer Herkunft und Veranlagung nach neigen manche Leute mehr dazu, vom Autobus angefahren zu werden, als andere. Doris, zum Beispiel, die mit mir in einer Regierungsbehörde arbeitete. Ihre Mutter hatte einen kleinen Tumor, ihr Vater ein „böses Bein“, Doris selbst hatte ständig mit „Frauenleiden“ zu tun, und sie alle hatten die stille Hoffnung, daß Oma Krebs hätte. Doris, ihre Brüder und Schwestern, ihre Tanten und Onkels, ihre Mutter und ihr Vater, ihre Großmutter und ihr Großvater, sie alle hatten ihr Leben begonnen als kaum ausgeformte, winzig kleine, zu früh geborene Babys, die in Kissen herumgetragen und mit Pipetten gefüttert wurden. Wenn es ihnen gelang, durch das erste Jahr durchzukommen, und oft gelang es ihnen, war das Leben von da ab eine ununterbrochene Kette von Schmerz, Weh, Schnupfen und Husten. Wenn Doris und ein anderes Mitglied ihrer großen, kränkelnden Familie sich gegenseitig nach ihrem Befinden erkundigten, war das nicht nur so hingesagt; sie wollten es wirklich wissen.
    Sie waren so darauf bedacht, krank zu werden, daß sie sich schon Tage, bevor sie sich wirklich ansteckten, auf Erkältungen vorbereiteten, wie sich ein Sportsmann auf das Entscheidungsspiel trainiert. Doris konnte montags beim Frühstück sagen, sie wüßte nicht recht, aber sie glaubte, sie könnte vielleicht eine Erkältung kriegen. Sofort war das gesamte Haus in Alarmbereitschaft, und die ganze nächste Woche bekam Doris heißen Tee, Whisky mit Zitrone, ein kleines Wolljäckchen, das sie unter der Bluse tragen sollte, viele Pillen für das Büro, dazu auch Nasentropfen, die sie sich einflößte, indem sie sich quer über ihren Schreibtisch legte und den Kopf über die Kante hängen ließ; sie bekam einen kleinen Wandschirm zum Aufstellen vor ihrem Schreibtisch, der den Zug abhalten sollte, Höhensonnenbestrahlungen auf den Rücken, Senf-Fußbäder und eine Menge guter Ratschläge.
    Bis Sonnabend hatte sie es meistens schon „in der Nase“, wie man bei ihnen sagte, und im Laufe der nächsten Woche entwickelte sie es zu einer großen Angelegenheit. Eine Tuberkulose wäre für Doris und ihre Familie eine Art von Enttäuschung, aber doch ein entschiedenes Plus gewesen. So war es natürlich nicht Doris, sondern ich, die Tuberkulose bekam, und das zeigte wieder mal den Unterschied zwischen unseren Familien.
    Erstens lautete unser Familien-Wahlspruch: „Jeder Mensch ist gesund, und wer’s nicht ist, ist ein altes Ekel.“ Zweitens waren wir fünf Kinder, aber keines von uns war zu früh auf die Welt gekommen. Wir hatten unser Leben begonnen als große, dicke Neunmonatskinder, voller Lebenslust und Kraft, und außer einem hatten alle fuchsrotes Haar. Mein Vater, ein Bergbauingenieur und großer Gesundheitsfanatiker, verwandte einen guten Teil seiner freien Zeit und Energie darauf, uns gesund zu erhalten. Sobald wir groß genug waren, zwang er uns, im Winter jeden Morgen vor dem Frühstück einmal um den Block zu laufen; im Sommer meilen- und meilenweit mit ihm und Mutter durch die Berge zu wandern; jeden Abend um acht Uhr ins Bett zu gehen; täglich zehn Glas Wasser zu trinken und, solang es hell war (sehr gegen unseren Willen), draußen zu spielen.
    Bei meiner Schwester Mary und meinem Bruder Cleve (die Schwestern Dede und Alison sollten erst noch kommen) hatte diese Routine die gewünschten Erfolge, aber ich wurde dünn und grünlich-blaß, als ich den Kinderschuhen entwuchs, und blieb auch so, gleichgültig, wie oft ich um den Block lief. Das kam zweifellos daher, daß ich Gammys Lieblingskind war.
    Gammy war die Mutter meines Vaters, die bei uns lebte und beharrlich sein Programm zur Erhaltung der Gesundheit sabotierte. Sie war eine wunderbare Großmutter, eine unermüdliche Vorleserin,

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