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Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)

Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)

Titel: Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Krzywik-Groß , Torsten Exter , Stefan Holzhauer , Henning Mützlitz , Christian Lange , Stefan Schweikert , Judith C. Vogt , André Wiesler , Ann-Kathrin Karschnick , Eevie Demirtel , Marcus Rauchfuß , Christian Vogt
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von einem Ruck erfasst und vom Dach des Zuges gehoben. Schmerzlich umklammerten die Fangarme meinen Körper. Während ich mich an Aurora festhielt, standen wir still in der Luft. Unter uns schoss der Zug vorbei. Ich sah mich hektisch um und entdeckte, dass die verlängerten Arme der Puppe sich an zwei Bäume gekrallten hatten, die rechts und links neben den Gleisen wuchsen. Die Kraft der dünnen, goldenen Verstrebungen hielt uns in mehreren Metern Höhe, bis der Zug unter uns durch war. Die Puppe setze uns sanft ab.
    Ob es der Blutverlust oder das gerade Erlebte war, weiß ich nicht. Aber ich wurde ohnmächtig.

    „So, und jetzt erklären Sie mir, wie wir verdammt noch mal nach Venedig gekommen sind.“
    Mit einem Morgenmantel angetan stand ich in dem luxuriösen Zimmer des kleinen Palazzos. Mein Bein war bandagiert.
    Die Wände waren mit weinrotem Stoff bezogen. Gediegene Muster, mit Goldfäden eingewebt, lockerten die Wuchtigkeit der dunklen Farbe auf. Aus kostbarem Holz geschnitzte Möbel mit tiefen Polsterungen boten einem halben Dutzend Menschen Platz, obwohl wir nur zu zweit waren. Im Kamin prasselte ein Feuer und tauchte den Raum in wohlige Wärme. Durch die deckenhohen Fenster sah man den vereisten Canal Grande. Im Hintergrund erahnte ich die Rialto-Brücke.
    „Das sagte ich doch schon, Kemil Tadeusz. Freunde haben uns abgeholt.“
    „Was für Freunde überqueren denn mal eben die Alpen?“
    Aurora sah mich mit ihren großen, himmelblauen Augen an und schwieg.
    „Gut, versuchen wir es anders. Was tun wir hier? Warum haben sie mich nicht zurückgelassen?“
    „Sie haben mir geholfen. Hätte ich Sie an den Gleisen liegengelassen, hätten sie Kemil Tadeusz geschnappt. Sie hätten Ihnen wehgetan.“
    Ich presste die Hände an den Kopf. Das durfte doch alles nicht wahr sein!
    „Könntest du bitte aufhören, mich so zu nennen?“, fragte ich gereizt und erlaubte mir, sie zu duzen.
    „Aber das ist dein Name. Kemil Tadeusz.“
    „Vergiss es. Gibt es hier irgendwo Alkohol?“ Mein Schädel dröhnte, und mein Bein tat weh.
    „Da drüben ist eine Hausbar.“ Sie wies auf eine meisterhaft verzierte Kommode. Während ich mir einen besonders starken Trunk mixte, fuhr Aurora fort: „Wir sind nach Venedig gekommen, weil ich nach Venedig musste. Du solltest wissen, Kemil Tadeusz, ich werde verfolgt.“
    „Wirklich? Das ist ja ganz was Neues.“ Der Cognac schmeckte köstlich. Dennoch brauchte er etwas, um mir den Spott aus der Kehle zu spülen.
    Ich nahm einen weiteren Schluck. Die Hitze rann meine Kehle entlang und fokussierte mich auf das Wesentliche. Zwei Gläser später konnte ich wieder klar denken.
    „Fassen wir zusammen: Du bist auf der Flucht und suchst Schutz bei Freunden in Venedig.“
    „Richtig.“
    „Die Europäische Gesellschaft zur Beantwortung moralischer Fragen ist hinter dir her, genauso wie ich es war.“
    „Nicht ganz wie du, Kemil Tadeusz. Aber so ähnlich.“
    „Du bist hier, um die Puppe zu verkaufen.“
    „Nein.“
    „Nein?“
    „Nein.“
    Ich stutzte. „Wieso hast du sie dann entwendet?“
    „Ich habe sie keineswegs … entwendet.“
    „Dann ist sie dir zugelaufen, oder was?“ Das Hämmern in meinem Schädel kehrte zurück. Ich füllte abermals mein Glas.
    „Ja“, entgegnete sie einfach, als sei dies das Normalste auf der Welt.
    Ich trat auf Aurora zu, die besagte Puppe auf ihrem Schoß hatte, und betrachtete sie. Mir fiel nichts Besonderes auf. Auch waren keine Spinnenarme mehr zu erkennen. Sie sah aus wie eine äußerst lebensechte Puppe in Hemd und Hose. Nicht mehr und nicht weniger.
    „Wie kann das sein? Was ist das für ein Ding?“ Ich beugte mich zu der Puppe hinab, um sie genauer zu betrachten. Sie war meisterlich gefertigt. Ich bildete mir ein, sogar kleine Poren auf ihrer Haut zu erkennen.
    „Sie ist mein Gefährte. Galileo begleitet mich seit Ængland. Ehe man ihn mir gestohlen hat.“
    „Schon wieder Ængland! Professor Clockworth-Merenge arbeitet für ein ænglisches Unternehmen, die Angreifer waren Ængländer, und du warst auch dort, gemeinsam mit dieser Puppe, die sogar einen Namen trägt. Was ist so wichtig an diesem unbedeutenden Fleckchen Erde?“
    „Ich weiß nicht. Aber Galileo wurde dort geboren.“
    „Wurde geboren? Wurde gefertigt passt wohl besser.“
    „Sei nicht so gemein“, schalt sie.
    Ich sah Aurora verständnislos an, während sie die Puppe enger an sich zog.
    „Sie unterscheidet sich nur wenig von dir und mir“, versuchte es Aurora,

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