Eiskalte Hand (Die Chroniken von Mondoria) (German Edition)
zu Hause gelassen. Dann bräuchte sie ihn jetzt nicht mit durchschleppen. „Und ihr seid sicher, dass ihr da wirklich mit hinabsteigen wollt?“, fragte sie ihn zum wiederholten Male. „Ich komme da sicher auch alleine zurecht.“ Doran Zi nickte energisch. „Es wird gehen. Und vielleicht kannst du meine Hilfe noch gebrauchen.“ Die junge Frau zuckte einfach nur mit den Schultern. Schließlich war der Mann da alt genug, um zu wissen, was er tat.
Mit der vorbereiteten Laterne leuchtete Mia in die Öffnung hinein. Ein Gang verlief dort quer und führte zugleich leicht abwärts. „Dann mal los.“, rief sie Doran Zi munter zu und schritt durch das Loch. Der Gang war schmal und niedrig. Immer wieder mussten sie die Köpfe einziehen, um nicht an die Decke zu stoßen. Von Zeit zu Zeit drehte Mia sich um und schaute, ob der alte Mann hinterher kam. Mit zusammengebissenen Zähnen trottete er vorwärts – zu stolz, sich allzu viel anmerken zu lassen. Innerlich zog Mia den Hut vor so viel Sturheit – und ging bewusst langsam.
Schon bald kamen sie an das Ende des Ganges. Eine Treppe aus Metall war in einer steinernen Röhre befestigt, die steil und senkrecht in die Tiefe führte. Mia leuchtete mit der Laterne hinab und schaute mit zusammengekniffenen Augen hinterher. Doch den Grund konnte sie nicht entdecken. Sorgenvoll blickte sie auf Doran Zi. Wie sollte der alte Mann da sicher herunterkommen. Da drängte er sich schon an ihr vorbei und machte sich an den Abstieg, ohne dass sie etwas hätte sagen können. Schnell folgte sie ihm und hoffte innig, dass alles gutgehen mochte. Der Abstieg zog sich schier endlos hin. Minute um Minute verging. Und bei jedem Schritt hatte Mia Sorge, dass der alte Mann abrutschen und in die Tiefe stürzen könnte. Doch er hielt sich wacker. Als sie schließlich wieder festen Boden unter den Füßen hatte, atmete Mia erleichtert auf. Doran Zi hingegen keuchte einfach nur laut. Aus seinen Lungen rasselte es bedenklich. Ganz offensichtlich war er an die Grenze seiner Belastungsfähigkeit gegangen, vielleicht sogar ein wenig darüber hinaus. Und der Weg schien hier noch nicht zu Ende zu sein.
Er hatte sie in einen fast quadratischen Raum geführt. Sie mussten jetzt einige Meter unter der Erde sein. Die Wände des Raumes waren aus Stein. Schlicht und schmucklos. In der gegenüberliegenden Wand befand sich eine schwere Holztür mit eisernen Beschlägen. Im Übrigen war der Raum leer. Mit dem Blick einer erfahrenen „Spezialistin“ inspizierte Mia jede Ecke. Doch sie fand keine Falle oder irgendeinen Mechanismus. Auch die Tür wirkte unverdächtig. Vorsichtig drückte sie die Klinke herunter und ließ die Tür langsam aufschwingen. Dahinter lag ein weiterer länglicher Raum. Mit Freude registrierte Mia, dass ein Tisch und mehrere Stühle darin standen. Schnell drehte sie sich zu Doran Zi um, der immer noch schwer keuchte und sich mit einer Hand an der Wand abstützte. „Kommt hier herüber.“, rief sie ihm zu. Dann merkte sie, dass der alte Mann ohne Hilfe wohl kaum noch gehen konnte. Ein paar Schritte, und sie stand neben ihm, legte den Arm um ihn und führte ihn langsam herüber zu den Stühlen. Dankbar schaute er sie an, als er sich auf den Stuhl niedersinken ließ. Dann legte er Arme und Kopf auf dem Tisch ab und verlor das Bewusstsein. Mia schüttelte mit dem Kopf. ‚Was wäre, wenn ich ihn einfach hier zurück lasse und alleine weitergehe?‘, schoss es ihr durch den Kopf. Ein verlockender Gedanke. Sie wäre ihren Ballast auf jeden Fall los.
Da fiel ihr Blick auf ein kleines Buch, das dem alten Mann offenbar aus der Tasche gefallen war. Instinktiv bückte sie sich danach und wollte es ihm gerade zurück in den Mantel stecken, als sie die Aufschrift auf dem Umschlag entdeckte: „WU JEN“. Neugierig begann sie, ein wenig darin herumzublättern. Es handelte sich um eine Art Notizbuch, in dem akribisch eingetragen war, was sie in den letzten Jahren so alles unternommen hatte. Hier und da fanden sich auch weitergehende Kommentare und Zeichnungen. Mia war geschockt. Sie wusste zwar, dass der alte Mann ein Auge auf sie gehabt hatte, wie er es ausdrückte. Aber das sah nach viel mehr aus. Er hatte sie ausspioniert nach allen Regeln der Kunst. Aufgeregt blätterte sie weiter und las einige der Passagen. Momentmal. Da stand auch etwas über den Kampf mit den beiden Schlägertypen in ihrer Wohnung:
„ Wie ich erwartet habe, hat sie den Abschaum leicht erledigt. Den Detektor
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