Ekel / Leichensache Kollbeck
entgegen, um ihm das Geheimnis anzuvertrauen: „Euer Klassenlehrer ist da!“
„Ich weiß“, antwortete Stötzel sicher. Eins der Kinder lief ins Haus, und bald darauf kam Frau Pandelitz heraus und fragte Stötzel, was er wolle.
„Herr Fanselow wollte auch zu uns kommen, aber meine Mutter fährt heute noch nach Burg, und mein Vater ist in den Rüben, bis spät. Ich will nur fragen, ob er gleich kommen könnte, weil meine Mutter noch da ist.“ Stötzel sprach es ohne Hemmungen. „Wir sind sowieso fertig, ich sage ihm Bescheid. Fahr zu deiner Mutter und sag ihr, er kommt gleich“, entgegnete Frau Pandelitz und kehrte ins Haus zurück.
Stötzel schwang sich auf sein Fahrrad und radelte betont langsam zurück zur Grabower Landstraße.
Es war ein milder, sonniger Frühsommertag. Der Wald, durch den der Weg nach Grabow führte, war schattig und kühl. Um Zeit zu schinden, beschrieb Stötzel riesige Achten um scheinbare Hindernisse. Seine Hände waren kalt wie immer, wenn er erregt war. Er mochte eine Weile so gefahren sein, da endlich vernahm er hinter sich das ferne Knattern eines nahenden Motorrads.
Fanselow! – Das muß er sein. Schlagartig wich das Blut aus dem Gesicht des Jungen. Mit gewaltiger innerer Anspannung versuchte er der jähen Kraftlosigkeit Herr zu werden. Er zitterte wie Espenlaub. Doch schließlich gewann er seine Konzentration wieder, und bemühte sich, unauffällig weiterzufahren, jetzt geradeaus. Nur wenige Augenblicke später war das Motorrad heran und verlangsamte das Tempo. Die abgewetzte Aktentasche hing dem Lehrer an einem Riemen über der Schulter. Fanselow paßte sich der Geschwindigkeit an und begann gleich das Gespräch: „Du kannst dir ja denken, was ich mit deinen Eltern besprechen muß.“
„Meine Mutter schlägt mich zusammen“, preßte der Junge hervor.
„Wird wohl nicht so schlimm werden, Stötzel. Schuleschwänzen ist doch kein Verbrechen.“ Und nach einer kurzen Pause: „Oder hast du noch mehr auf dem Kerbholz?“
Die Frage verwirrte Manfred Stötzel. Ahnte der Fanselow etwas wegen der Scheune? Der blieb die Antwort schuldig. Eine unheimliche Macht schnürte Stötzel das Herz zusammen, so daß er nur an das eine dachte: Jetzt muß es passieren!
In stiller, irgendwie makabrer Eintracht fuhren der Rad- und der Motorradfahrer nebeneinander her. Der Junge aber nahm die Geräusche der Umgebung nicht mehr wahr, das Motorrad des Lehrers glitt lautlos wie ein Phantom neben ihm her. Er verlangsamte sein Tempo. Der ahnungslose Fanselow fuhr nun eine Nasenlänge vor ihm. Stötzel fixierte den Rücken seines Lehrers und dachte: „In die linke Seite muß ich stechen!“ Kein Gedanke mehr an ein bloßes Ritzen.
Fanselow spürte die peinliche Situation und versuchte sie mit Worten zu überspielen: „… wenn du eine Abreibung kriegst, die kannst du doch wohl verkraften.“
Das war der Moment. Stötzel zog die Reibahle aus der Hosentasche, fuhr dichter an den Mann heran und rammte sie mit voller Wucht in dessen Rücken. Der Stoß ließ ihn schwanken, und beinahe wäre er vom Rad gestürzt. Der Lehrer fuhr noch einige Meter, ehe ein Schlagloch das Motorrad zum Kippen brachte.
Fanselow lag bäuchlings im Sand. Er versuchte sich aufzustützen und stöhnte: „Stötzel, warum?“
Aus dem Tank des Motorrads lief inzwischen Benzin. Die Räder trudelten allmählich aus. Immer wieder wollte sich Fanselow aufrichten, aber Stötzel war bereits bei ihm und stach abermals in den Rücken seines Lehrers, den die Kräfte verließen. Er stöhnte. Mit weit aufgerissenen Augen drehte er den Kopf zur Seite und starrte auf den Angreifer. Immer wieder stieß er hervor: „Stötzel, warum, Stötzel!“
Der Junge war über die Wirkung seiner Attacke erschrocken, Angst schüttelte ihn. Gleichzeitig überkam ihn eine unbeschreibliche Wut über die Fassungslosigkeit des Lehrers, der doch hätte wissen müssen, wie sehr er gelitten hatte. Die Wut machte ihn so benommen, daß er sich später nur noch bruchstückhaft daran erinnern kann, wie er das Tatwerkzeug wieder einsteckte und einen großen Feldstein nahm, um seinem Lehrer den Kopf zu zertrümmern. Erst als er kein Lebenszeichen mehr wahrnahm, ließ er von seinem Opfer ab.
Es war still geworden auf der Landstraße nach Grabow. Stötzel betrachtete seine Hände und die Kleidung. Sie waren fast sauber. Das Hemd des Lehrers dagegen sog sich mit Blut voll. Aus den Wunden sickerte es rot in den Sand.
Urplötzlich ließ seine innere Starre nach. Ein
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