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Electrica Lord des Lichts

Electrica Lord des Lichts

Titel: Electrica Lord des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Henke
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der Nähe des Schlosses aufzuhalten.“
    Sue unterdrückte ein verächtliches Schnauben. Es hatte keinen Sinn, Black zu reizen. Ihm unterlagen nahezu alle Gerichtsbarkeiten im Bezirk, also hatte er sich als Sheriff zur Aufgabe gemacht, über die von ihm auferlegte Einhaltung der Sperrstunde in Lochdon zu wachen. Es war schwer abzuschätzen, inwieweit Sue ihm widersprechen konnte. Ihr gegenüber verhielt er sich mit aufgesetzter Freundlichkeit, sodass sie sich schon das eine oder andere Wortgefecht geliefert hatten. Sobald sich die Stirn des Sheriffs kräuselte und er seine Stimme senkte, wusste Sue, dass es an der Zeit war, klein beizugeben. Bislang hatte sie diese Grenze stets rechtzeitig erkannt, was gewiss mit seinem Interesse an ihr zusammenhing. Ob das noch so sein würde, wenn sie seinen Antrag ablehnen würde, konnte sie nicht abschätzen. Es war jedoch zu befürchten, dass sie sich in Zukunft ihm gegenüber weniger herausnehmen durfte. Im Moment schien er sich in Plauderlaune zu befinden. Sein elegantes Lederwams knarzte leise, als er schwungvoll aus dem Sattel stieg. Die Zügel in der einen und das Gewehr in der anderen Hand lief er neben ihr her wie ein Gentleman beim Spaziergang mit seiner Dame. Verstohlen blickte er zu den dunklen Gemäuern des Schlosses und wieder zu ihr zurück.
    „Du weißt, dass dort eine Bestie hausen soll.“
    „Ach, weiß ich das? Ich habe noch keine Bestie hier gesehen. Ihr etwa?“
    „Nein, aber dein schwachsinniger Freund redet ständig davon“, entgegnete er.
    Sein Kopf ruckte zur Seite, wobei sein Blick auf Sue haften blieb. Mit leicht angehobenem Kinn schien er dem raschelnden Laub der Baumwipfel zu lauschen.
    „Na, da kommt er ja schon. Hätte mich auch gewundert, wenn der mal nicht wie ein Schatten an deiner Seite hängt.“
    Unwillkürlich fuhr Sue herum, konnte aber in der Richtung nichts erkennen. Erst eine Sekunde später trat Sean aus einem Waldstück. Mit ausladenden Schritten stolzierte er auf sie zu. Erleichterung durchfuhr sie bei seinem Anblick. Genau im richtigen Moment.
    Im Gegensatz zu Sheriff Black, dessen Lippen sich zunehmend aufeinanderpressten, freute sich Sue über Seans Anblick. Seit sie bei der Pflege seines sterbenden Vaters geholfen hatte, war der minderbemittelte Sean zu einer Art Mündel für sie geworden. Zwar war er weitgehend in der Lage, sich selbstständig zu versorgen, benötigte aber immer wieder Beistand. Sie stand ihm gern zur Seite, auch wenn sie in seinem Haus regelmäßig einen gut sortierten Vorrat an Lebensmitteln vorfand, von denen nicht alle in Lochdon zu kaufen waren. Sie fragte sich, wie Sean es anstellte, diese Dinge zu besorgen, denn gesehen hatte Sue noch niemanden in der verlassenen Schreinerei. Der junge Mann mit dem Gemüt eines Kleinkindes war ein angenehmer Begleiter. Besonders jetzt hieß sie ihn willkommen, denn die Gesellschaft des Sheriffs wurde anstrengend.
    Schüchtern erwiderte Sean ihr Lächeln, ohne den Sheriff zu beachten. Sue hasste es, wenn jemand abfällig über Sean sprach. Doch Black hatte recht. Sean redete mitunter wirres Zeug. Manch leichtgläubiger Dorfbewohner neigte dazu, jede Geschichte für bare Münze zu nehmen und sei sie noch so abwegig.
    „Das soll also glaubwürdig sein. Wenn Sean von einem Monster im Wald berichtet, gibt es das natürlich auch.“ Miteinem Augenrollen deutete sie auf Sean, der gerade damit beschäftigt war, Grasbüschel abzureißen und sich diese in die Hosentasche stopfte. Dabei wippte er im Takt seines monotonen Singsangs. „Sean sieht vermutlich auch Seeungeheuer und Feen“, sagte Sue mit einem sanfteren Tonfall.
    „Er mag sie zwar nicht alle beisammenhaben, dennoch sorgen seine Spinnereien für Unruhe in der Gemeinde“, erwiderte der Sheriff.
    Seine Stimme hatte einen drohenden Unterton. Hoffentlich kam der Mann nicht auf die Idee, Sean in irgendeiner Form zu belangen. Nicht, dass es einen Sinn hätte, doch Black war dafür berüchtigt, seinen Sanktionen nicht immer einen bedeutenden Hintergrund zu geben. Immer wieder gab es Verurteilungen, bei denen sich Sue nicht sicher war, ob die Härte der Strafe tatsächlich angebracht war. Was für ein furchtbarer Gedanke. Von innen hatte sie die Verliese der Gefängnisinsel nie gesehen. Von dort war ohnehin niemand zurückgekehrt. Der Kerkerbereich hinter Blacks Herrenhaus hinterließ einen nachhaltigen Eindruck, was einen auf der Insel erwarten würde. Zum Verhör geladene Verdächtige, denen es gelungen war, ihre Unschuld

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