Elenium-Triologie
Pandioner die Geheimnisse von Styrikum lehrte. Jeder pandionische Ritter liebte und verehrte sie. Doch Sperber vermutete, daß in Vanions Fall Liebe und Verehrung tiefer gingen. Ihm war auch aufgefallen, daß Sephrenia eine besondere Zuneigung für den Hochmeister empfand, die über die einer Lehrerin für ihren Schüler hinausging – eine weitere Beobachtung, die ein Ordensritter der Hierokratie in Chyrellos melden sollte. Doch auch dies behielt Sperber für sich.
»Weshalb die Zusammenkunft zu dieser unziemlichen Zeit?«
fragte Vanion müde.
»Wollt Ihr es ihm sagen?« fragte Sperber Sephrenia.
Die Frau im weißen Gewand seufzte und wickelte den länglichen, schmalen Gegenstand aus. Sie brachte ein weiteres pandionisches Zeremonienschwert zum Vorschein. »Ritter Tanis ist ins Haus der Toten eingegangen«, sagte sie traurig zu Vanion.
»Tanis?« wiederholte Vanion erschüttert. »Wann ist es passiert?«
»Es kann nicht lange her sein«, antwortete sie.
»Sind wir deshalb jetzt zusammengekommen?« fragte Vanion, an Sperber gewandt.
»Nicht nur. Ehe Tanis sich daranmachte, sein Schwert Sephrenia zu übergeben, kam er zu mir – vielmehr sein Geist. Er teilte mir mit, daß jemand mich in der Domkrypta zu sehen wünschte. Ich habe mich dorthin geschlichen, und Aldreas' Geist erwartete mich. Er erzählte mir so allerhand, und dann gab er mir dies.« Sperber drehte den Speerschaft aus dem Klingenaufsatz und schüttelte den Rubinring aus seinem Versteck.
»Dort also hat Aldreas ihn versteckt!« rief Vanion. »Vielleicht war er weiser, als wir dachten. Ihr habt gesagt, daß er Euch so allerhand erzählt hat. Was denn?«
»Daß er vergiftet wurde«, antwortete Sperber. »Wahrscheinlich das gleiche Gift, das man Ehlana eingegeben hat.«
»Wer? Annias?« fragte Kalten grimmig.
Sperber schüttelte den Kopf. »Nein, Prinzessin Arissa.«
»Seine eigene Schwester ? Das ist ja ungeheuerlich!« entsetzte sich Bevier, der als Arzianer unverrückbare Moralbegriffe besaß.
»Arissa ist ein Ungeheuer«, versicherte ihm Kalten. »Sie duldet kein Hindernis auf ihrem Weg. Aber wie konnte sie das Kloster in Demos verlassen, um Aldreas zu beseitigen?«
»Dafür hat Annias gesorgt«, antwortete Sperber. »Sie hat Aldreas auf ihre übliche Art die Zeit vertrieben und ihm, als er erschöpft war, den vergifteten Wein kredenzt.«
»Ich fürchte, ich verstehe das nicht so recht.« Bevier runzelte die Stirn.
»Das Verhältnis zwischen Arissa und Aldreas ging über ein geschwisterliches ein wenig hinaus«, erklärte Vanion ihm behutsam.
Beviers Augen weiteten sich, und sein dunkles Gesicht erbleichte, als ihm die Bedeutung von Vanions Worten allmählich klar wurde.
»Warum hat sie ihn getötet?« fragte Kalten. »Aus Rache, weil er sie im Kloster einsperrte?«
»Nein, das glaube ich nicht«, erwiderte Sperber. »Ich vermute, es gehörte zu dem Plan, den sie und Annias ausgeheckt hatten. Erst vergifteten sie Aldreas, dann Ehlana.«
»Damit der Weg zum Thron für Arissas Bastard frei würde?«
schloß Kalten.
»Es ist logisch«, bestätigte Sperber, »und noch verständlicher, wenn man weiß, daß Lycheas Annias' Sohn ist.«
»Eines Kirchenmannes?« Tynian blickte erstaunt auf. »Habt ihr hier in Elenien andere Gesetze als wir?«
»Das nicht«, versicherte Vanion ihm. »Aber Annias bildet sich ein, daß er über den Gesetzen steht, und Arissa hat ihre Freude daran, Gesetze zu brechen.«
»Arissa war auch noch nie sonderlich wählerisch«, fügte Kalten hinzu. »Wenn man den Gerüchten glauben darf, hat sie ihre Reize so gut wie jedem Mann in Cimmura angeboten.«
»Das dürfte wohl etwas übertrieben sein.« Vanion stand auf und trat ans Fenster. »Ich werde dem Patriarchen Dolmant diese Neuigkeit mitteilen«, sagte er und blickte hinaus in die Nebelnacht. »Vielleicht kann er Nutzen daraus ziehen, wenn es zur Wahl eines neuen Erzprälaten kommt.«
»Möglicherweise kann auch der Graf von Lenda sie nutzen«, meinte Sephrenia. »Die königlichen Räte sind zwar korrupt, aber selbst ihnen wird es mißfallen, daß Annias versucht, seinen eigenen unehelichen Sohn auf den Thron zu heben.« Sie blickte Sperber an. »Was hat Aldreas Euch sonst noch erzählt?«
»Nur noch eines. Wir wissen ja inzwischen, daß wir einen magischen Gegenstand benötigen, um Ehlana zu heilen. Aldreas hat mir gesagt, welchen. Den Bhelliom. Es gibt sonst nichts auf der Welt, das genügend Kraft besitzt.«
Sephrenia erbleichte. »Nein!« keuchte sie.
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