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Elfenblick

Elfenblick

Titel: Elfenblick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Lankers
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Späthippies gelebt. »Freie Liebe« hatte Mageli ihre Mutter einmal schockiert flüstern gehört, als die Nachbarinnen zu ihrem wöchentlichen Kaffeekränzchen bei Meyers im Wohnzimmer saßen. Dazu hatte sie bedeutungsvoll die Augenbrauen hochgezogen und die anderen Frauen hatten aufgeregt mit den Löffeln in den Kaffeetassen geklappert und sich fast an dem trockenen Gebäck verschluckt.
    Als Susa merkte, dass sie schwanger war, war sie bei den Hippies ausgezogen. »Ein Blumenkind in der Familie reicht«, hatte sie Mageli einmal erklärt. Damals war Susa gerade achtzehn geworden. Und weil sie keine Ahnung hatte, wo sie sonst hingehen sollte, war sie zurück nach Oberbachem zu ihren Eltern gezogen. Die lebten inzwischen beide nicht mehr, und Susa hatte nicht nur das große, alte Haus, sondern auch den Blumenladen der beiden geerbt. »Wie passend!«, sagte sie von Zeit zu Zeit selbstironisch. Aber die Arbeit mit den bunten Blumen, den Kränzen und Gestecken bereitete ihr große Freude. Rosann hatte allerdings die Vorliebe ihrer Mutter für Farbenfrohes nicht geerbt. »Mir reichen meine Haare«, betonte sie.
    Am Waldrand mündete der Kiesweg in eine asphaltierte Straße. Waldweg, wie fantasievoll!, dachte Mageli zum wiederholten Male. So typisch der Name für eine Neubaugegend war, so typisch waren auch die verklinkerten Reihenhäuser, die sich brav Seite an Seite entlang der Straße aufreihten. Hüfthohe Jägerzäune wiesen die handtuchgroßen Vorgärten in die von der Bauordnung vorgeschriebenen Grenzen und der Rasen sah aus wie mit der Nagelschere gestutzt.
    Mageli trat nicht mehr in die Pedale, sondern ließ ihr Fahrrad langsamer rollen. Die Sonne schien, aber richtig warm wollte es nicht werden. Kurz schloss Mageli die Augen und streckte ihr Gesicht Richtung Himmel. Hinter ihren Lidern wurde alles ganz orange. Sommerorange.
    Ein Kläffen ließ Mageli die Augen aufreißen. In Nummer sieben lehnte wie immer Waldemar im Fenster, der Dackel von Herrn Hünckel. Herr Hünckel war Frührentner und hatte jede Menge Zeit. Jeden Morgen gegen neun, sonntags um zehn, legte er zwei Kissen ins Fenster, eins für sich und eins für Waldemar. Dann stützte Herr Hünckel, der über eine beeindruckende Glatze verfügte, seine beiden Ellenbogen auf dem Kissen ab, verschränkte die Arme und blieb für den restlichen Tag auf seinem Beobachtungsposten. Waldemar legte seine Schnauze auf das Kissen daneben und beobachtete ebenfalls.
    Als Mageli vorbeifuhr, starrten Herr und Hund angestrengt auf das gegenüberliegende Haus von Familie Römer. Dabei waren die Römers gar nicht zu Hause, zumindest stand kein Auto in der Auffahrt. Mageli wusste genau, warum Herr Hünckel gebannt auf das leere Haus schaute. Er mochte Mageli so wenig leiden, dass er sich lieber die Zunge abgebissen hätte, als sie zu grüßen. Mageli konnte den alten Mann und seinen Köter auch nicht ausstehen.
    Ihre gegenseitige Abneigung rührte wahrscheinlich daher, dass Herr Hünckel Waldemar immer auf den Gehweg kacken ließ. Mageli war schon häufiger in einen Haufen getreten. Kam sie zufällig vorbei, während Waldemar gerade sein Geschäft erledigte, funkelte sie Herrn Hünckel immer wütend an und verfluchte ihn in Gedanken. Und obwohl sie sich noch nie getraut hatte, ihm offen ihre Meinung zu sagen, packte Herr Hünckel dann immer schnaubend ein Plastiktütchen aus und räumte Waldemars Hinterlassenschaften weg.
    Mageli verstand nicht, warum er sich von ihren unausgesprochenen Beschimpfungen derart beeindrucken ließ, aber sie konnte sich schon vorstellen, dass Herr Hünckel sie nicht besonders mochte, wenn er sich von ihr genötigt fühlte, Hundehaufen zu beseitigen.
    Als Mageli sich Nummer elf näherte, stellte sie entsetzt fest, dass Frau Matuschek im Garten stand. Die »bekloppte Matuschek« war eine der wenigen in der Straße, die mit Mageli redeten. Allerdings redete die Matuschek gerne und vor allem ausführlich mit jedem, der nicht rechtzeitig in Deckung ging. Der Briefträger weigerte sich mittlerweile, Pakete bei ihr abzuliefern, und brachte sie stets zu den Meyers. Und selbst der Bofrost-Mann fuhr einen weiten Bogen um Nummer elf, wenn er seine Tour durch den Waldweg machte.
    »Hallo«, rief Frau Matuschek, als Mageli das Rad in der Auffahrt zu Nummer dreizehn ausrollen ließ. Sie stützte sich schwer auf ihrem Rollator ab und war mit dem gefütterten Mantel und dem Pelzkragen viel zu warm angezogen.
    »Hallo, Frau Matuschek«, antwortete Mageli und

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