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Ellernklipp

Ellernklipp

Titel: Ellernklipp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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vorüber sein, und er tappte sich langsam und vorsichtig ihnen nach. Und nun waren es keine zehn Schritte mehr, und er blieb stehen und horchte nach der Tiefe hin und sagte zu dem dicht neben ihm gehenden Alten: »Ich glaub, es ruft... Habt Ihr nichts gehört, Sägemüller?«
    »Nei...«
    Baltzer lächelte vor sich hin und wußte nun, was er wissen wollte, daß es eine Sinnestäuschung gewesen und daß es nicht unten in dem Elsbruch, sondern in ihm selber gerufen habe. Dennoch erschrak er bis in seine tiefste Seele hinein, als der Alte, der wieder hinabgehorcht hatte, mit einem Male sagte: »Awers nu, Heidereiter. Joa. Nu hür ick't... Et röppt.«
    Und wirklich, es war, als riefe was. Und als der Heidereiter in eben diesem Augenblicke sich umsah, sah er, daß der Vollmond hinter dem Tannenwald aufstieg. Und er schrie laut auf und sagte, während er seine letzte Kraft zusammenraffte: »Geht nur. Geht immer vorauf. Ich muß sehen, was es gibt. Und sagt meiner Frau, daß ich nachkomme. Geht.«
    Und der Sägemüller, dem es unheimlich geworden war, ließ ihn allein und ging in raschem Schritte den anderen nach, die schon, am Außenrande von Kunerts-Kamp hin, wieder abwärts stiegen.
    Und an eben diesem Gelände hin zog auch der Vortrupp, die Burschen und Mädchen, die dicht hinter Ellernklipp ihre frühere Weise wieder aufgenommen hatten:
     
    »Er nahm aus seiner Taschen
    Ein Messer scharf und spitz...«
     
    Und nun schwieg das Lied und brach ab, denn ein Schuß fiel und hallte durch die Berge wider. Aber es war ja Jagdzeit und Besuch auf dem Schloß, und in einem weinerlichen Tone sangen sie gleichgültig weiter:
     
    »Ach, reicher Gott vom Himmel,
    Wie bitter ist mein Tod.«
     
    Auch Hilde hatte den Schuß gehört, ohne sich viel darum zu kümmern, und sang nur leise mit und freute sich; denn das Kind auf ihrem Arme war eingeschlafen und atmete so still und ruhig, als ob es der erste Tag seiner Gesundheit wär. »Ach, wenn es leben bliebe!«
    Und so stiegen sie gemeinschaftlich die Berglehne hinunter, und Hilde horchte noch dem Gesange nach, als sie sich vor des Heidereiters Hause von ihrer Begleitung getrennt hatte. Gleich danach aber kam Grissel und nahm das Kind und ließ sich erzählen und war wie gewöhnlich voll guter Lehren und wußte ganz genau, wie's hätte gemacht werden müssen. Auch das mit dem Jagdwagen. Aber mit dem Alten, da sei nichts mehr. Er sei zu eigensinnig und wolle immer mit dem Kopf durch die Wand.
    Eine ganze Weile ging so das Geplauder, und beide waren eigentlich froh, den Heidereiter nicht mit dabei zu haben. Endlich aber wurde Hilde doch stutzig und wunderte sich, daß der Vater noch nicht da sei. Denn sie nannt ihn noch immer so. Grissel aber wollte von Angst und Sorge nichts wissen und sagte nur: »Er hat den Schuß gehört, und da versteht er keinen Spaß und sieht, was es ist. Es fängt ohnedies das Wildern wieder an, weil er's eine Weile hat gehen lassen. Und das verdrießt ihn. Und gib acht, er macht's ein Ende.«
    Hilde ließ es gelten. Als aber wieder eine Zeit um war, sagte sie: »Wir müssen ihn suchen gehen. Und sage nicht nein. Und wenn niemand geht, so geh ich selber. So furchtsam ich bin.«
    Und all das sagte sie so bestimmt, daß der Grissel auch der Gedanke kam, es könne was passiert sein. Und so ging sie zu Joost in den Stall, um ihn fortzuschicken.
    Der machte sich auch auf den Weg, und der jungen Frau wurde wieder freier ums Herz, als sie sah, daß wenigstens etwas geschah. Aber sie hatte doch keine Ruh und ging hin und her und sah den Weg und das Gebüsch hinauf, von wo der Vater jeden Augenblick kommen mußte. Und wenn nicht er, so doch Joost.
    Und so war sie schon viele Male auf die Treppe hinausgetreten. Immer vergeblich. Aber jetzt klang es ihr wie Stimmen und war ihr, als ob sie dicht an der Stelle, wo die zwei Silberpappeln standen, einen Schatten und eine Bewegung sähe. Und wirklich, es war so, und über eine lichte Stelle weg, auf die gerade das Mondlicht fiel, erkannte sie vier oder fünf Gestalten. Und es war ihr, als trügen sie was. Und auf einen Schlag stand wieder der Tag vor ihrer Seele, wo sie den Maus-Bugisch auf eben diesem Wege herangeschleppt hatten, und eine furchtbare Angst befiel sie, daß sich ihr das Grauen jenes Tages erneuern könne.
    Sie wollte Gewißheit haben, je früher, je besser, und schritt rasch und entschlossen die Stufen hinunter und dem Zug entgegen. Als aber Joost ihrer ansichtig wurde, ließ er halten und winkte, daß sie von

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