Engelstation
ruhig glauben«, sagte er.
»Die Kompagnie hat vor zehn Tagen das Handtuch geworfen«, sagte Maria.
»Ich hab das Nachrichtenfax bekommen.«
»Es kam nicht überraschend. Wir sammeln die Scherben auf.« Sie erinnerte sich an die verspiegelten goldenen Türen des Pan-Development-Clubs, an die verschiedenfarbigen Vögel, die über dem transparenten Dach dahinsegelten. An die Solidität und Sicherheit, die niemals real gewesen waren. Ein trauriger Akkord durchsummte sie.
Marcos alte Dateien waren ihnen sehr gelegen gekommen. Zu viele Leute im Machtgefüge der Kompagnie hatten dank der Unterlagen im Interesse des Runaway-Clans gearbeitet.
»Wir fügen vielen Leuten Schaden zu, Ubu«, sagte sie.
Seine Miene war ungeduldig. »Das sind dieselben Leute, die uns damals den Boden unter den Füßen weggezogen haben, ohne auch nur einen Gedanken an uns zu verschwenden.«
»Manche von ihnen.«
»Man muß eben Augen und Ohren offenhalten. Dann weiß man, was auf einen zukommt.« Seine Stimme klang wütend. Er schüttelte den Kopf. »Ist sowieso nichts dran zu ändern.«
»Wahrscheinlich nicht.« Sie schien betrübt. Sie hatte getan, was sie konnte, um diese kolossale Welle zu reiten, aber sie war schon längst nicht nur ihrer, sondern überhaupt jeder Kontrolle entglitten.
Ubu schüttelte den Kopf. »Die geben uns ein Monopol und setzen es auf ihre Kosten durch. Von nun an könnten unsere Konkurrenten ins Gefängnis kommen.« Er spritzte sich Sharps in den Mund und warf ihr dann einen amüsierten Blick zu..»Diese Leute sind furchtbar blöd, Maria.«
»Ja. Das seh ich allmählich auch so.«
»Dann haben wir also vielleicht nicht bloß Glück gehabt, hm?«
Sie streckte die Hand aus und berührte seinen Arm. »Vielleicht nicht.« Sie lächelten sich an.
»Willst du dir das Kasino anschauen?« fragte sie.
»Ja.« Er grinste. »Vielleicht gewinnen wir etwas.«
»Ich sag unseren Leibwächtern Bescheid.« Sie schaltete den Sender im Warzenfortsatz ein. Der Elektronenstrom flutete in ihren Schädel.
Als sie umringt von stummen Leibwächtern in drohender Haltung auf das Laufband traten, das sie zum Erdgeschoß des Kasinos brachte, wurde die dahinplätschernde Musik, die aus den Kasinolautsprechern kam, durch eine von Ubus Kompositionen ersetzt. Ubus Musik – dicht, vielschichtig und atonal, auf den Rhythmusmustern der Geliebten basierend, aber komplizierter denn je – hatte sich weiterentwickelt. Sie war unendlich viel komplexer und weitaus unverständlicher geworden. Sie hörten es beide und lachten.
»Vor ein paar Monaten hab ich einen Nachrichtenfax-Artikel gelesen«, sagte Maria. »Von diesem Musikwissenschaftler, der behauptet, daß er deine Musik versteht.«
»Den hab ich auch gelesen. Der Kerl hat keinen Schimmer.«
»Den Eindruck hatte ich auch.«
Der Elektronenstrom tanzte lebhaft in Marias Bewußtsein, als das Erdgeschoß des Kasinos näherkam. Sie konnte die leuchtenden Muster einzelner Tische, einzelner Spiele ausmachen. Ihre Hände beschrieben hüpfende Elektronenmuster; Ubus Armbänder klirrten.
»Gestern hab ich beim Spazierengehen mal kurz reingeschaut«, sagte sie. »Ich hab ihnen nach Lust und Laune in die Spiele gepfuscht und ein paar Leuten dicke Gewinne zugeschanzt. Keiner hat was gesagt. Das Haus hat bezahlt.«
»Die wissen, daß wir ihnen das Kasino unterm Arsch wegkaufen, wenn sie uns wütend machen.«
Maria lachte. »Kann sein, daß uns jetzt schon ein großer Teil davon gehört, weißt du. Wir sind so groß, daß es schwierig ist, da noch den Überblick zu behalten.«
»Noch hundert Jahre«, sagte Ubu in vollem Ernst, »dann gehört uns alles. Jedenfalls alles, worauf es ankommt.«
Auf der Kasino-Etage sammelten sich die Leute und starrten nach oben. Das Laufband war für große Auftritte gedacht und fuhr dementsprechend langsam. Ubu warf Maria einen Blick zu.
»Im Fax wurdest du mit jemand namens Fargo in Zusammenhang gebracht.«
Sie drehte sich zu ihm um und sah seinen prüfenden Blick. »Wir sind zusammen, ja«, sagte sie.
»Ist er hier?«
Sie lächelte und nahm seinen Arm. »Ich hab ihn nicht mitgebracht. Bei der Zusammenkunft geht’s ums Geschäft und um Politik. Außerdem ist es eine Familiensache.«
Seine Finger verschränkten sich mit ihren. »Da bin ich aber froh.«
»Fargo ist ein alter Shooter. Er versteht das.«
Irgendwo in Marias Innerem verlor sich eine kleine, beständige Nervosität. Ubu war immer noch ein Mensch, soviel stand fest – zumindest für den
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