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Enwor 5 - Das schwarze Schiff

Enwor 5 - Das schwarze Schiff

Titel: Enwor 5 - Das schwarze Schiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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lange geschlafen hatte. Er atmete ein paarmal bewußt ein, sog die eisige Luft tief in seine Lungen und sah sich um. Die meisten Lager waren verlassen; die Kajüte war fast leer. Die Kohlebecken an den Wänden waren heruntergebrannt, und das Licht war zu einer trüben, unsicheren Helligkeit herabgesunken, die die Umrisse der Dinge im Raum verschwimmen und alles seltsam unwirklich erscheinen ließ. Gleichzeitig war es empfindlich kälter geworden. An den Wänden und der Decke sammelte sich Feuchtigkeit und lief in dünnen, glitzernden Rinnsalen zu Boden. Sein Atem bildete eine feine Dampfwolke vor seinem Gesicht.
    Auch Gowennas Schlafplatz war leer, aber als er aufstand, bewegte sich einer der Lumpenhaufen neben ihm. Die Decken wurden auseinandergezogen, und eine dürre Hand, bleich und so abgemagert, daß sich die Knochen unter der Pergamenthaut abzeichneten, wühlte sich ins Freie. Ein schmales, erschöpftes Gesicht erschien zwischen den zerschlissenen Stoffbahnen, dunkle Augen, in denen sich Müdigkeit und Angst und noch etwas anderes, Fremdes spiegelten, starrten zu ihm hinauf. Skar kannte den Mann nicht mit Namen, aber er hatte gesehen, wie er am Vorabend vom Mast gestürzt war und sich schwer verletzt hatte. Wahrscheinlich würde er sterben.
    Skar lächelte ihm flüchtig zu, unterdrückte ein Gähnen und reckte sich. Seine Gelenke knackten leise, und die vom langen Liegen steifen Muskeln reagierten mit stechenden Schmerzen auf die plötzliche Bewegung. Sein Kopf dröhnte noch immer, aber der Schlaf hatte ihm merklich gutgetan, und er spürte neue Kraft durch seine Glieder strömen.
    Das Gefühl war nicht echt, das wußte er. Schon eine halbe Stunde an Deck würde genügen, um sich wieder so müde und erschöpft zu fühlen wie zuvor. Aber das vage Bewußtsein seiner Stärke brachte ihm auch etwas von seinem normalen Optimismus zurück, und er schob die innere Unruhe einfach von sich. Damit würde er sich auseinandersetzen, wenn es soweit war. Für einen Moment spielte er mit dem Gedanken, nach Del und Vela zu sehen, aber dann hörte er wieder die Schritte über sich und die Stimmen, und seine Neugier erwachte erneut.
    Sein Blick streifte Rayans Truhe. Die große, mit bronzenen Riegeln und Schlössern gesicherte Seekiste war das einzige wirklich massive Möbelstück im Raum, sah man von dem festgeschraubten Tisch und den dazugehörigen ebenfalls am Boden befestigten Schemeln ab. Für einen Moment überlegte er ernsthaft, einfach hinüberzugehen und seine Waffen an sich zu nehmen. Die Vorstellung war verlockend — ein schneller Griff, und er würde wieder Satai sein, kein Mann mit einer leeren Schwertscheide am Gürtel. Die altersschwachen Schlösser würden einem ernstgemeinten Versuch, sie aufzubrechen, kaum standhalten, und das vertraute Gewicht der Waffe an seiner Seite würde ihm viel von seiner verlorenen Sicherheit und Ruhe zurückgeben.
    Aber er verwarf den Gedanken augenblicklich wieder. Es hatte keinen Zweck, zusätzlich zu allem anderen auch noch eine direkte Konfrontation mit Rayan und seinen Wachhunden zu provozieren.
    Skar drehte sich mit einem lautlosen Seufzer herum und ging zur Treppe. Es wurde Zeit, von diesem Schiff herunterzukommen. Gedanken wie die, die ihm jetzt im Kopf herumspukten, paßten vielleicht zu Del, aber kaum zu ihm. Er zwang sich, schneller zu gehen.
    Die Tür am oberen Ende der Treppe stand offen, und der Sturm schlug mit eisigen Krallen nach ihm, als er auf das Deck hinaustrat.
    Skar blinzelte überrascht. Die Sonne stand dicht über dem Horizont-aber sie stand im Osten, und das bedeutete, daß es wieder Morgen war und er den Rest des Tages und die ganze Nacht durchgeschlafen hatte. Er wankte, betroffen von der Wut, mit der der Eissturm über das Deck pfiff, klammerte sich am Türpfosten fest und verzog das Gesicht. Von der unnatürlichen Ruhe, die während der letzten Tage an Bord des Schiffes geherrscht hatte, war nichts mehr geblieben. Das Schiff befand sich in heller Aufregung. Der größte Teil der Besatzung drängte sich an der Backbordreling und starrte aufgeregt nach Osten. Andere liefen wild schreiend und gestikulierend über das Deck oder kletterten behende wie Baumaffen an der Takelage empor, um über die Köpfe der Gaffenden hinwegsehen zu können. Skar blickte instinktiv nach Osten. Aber der dunkle Punkt war noch hinter ihnen, näher als am Tag zuvor, aber hinter ihnen. Die Aufregung mußte einen anderen Grund haben.
    Skar griff sich den erstbesten Mann, der

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