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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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hielten.
    »Was soll das?« fragte Johanna, die drei Furchen in ihrer Stirn. Sie stand heftig auf, warf die Zeitungen auf den Tisch, schaute ihn an aus zornigen, grauen Augen. Er blieb sitzen, erwiderte vergnügt, mit frechem, spitzbübischem Knabengesicht, die weißen Zähne bloßlegend: »Im Krieg hieß man uns Helden, jetzt Mörder. Ich finde das unfair und unlogisch.« Ohne Übergang sprach er von seiner Vorliebe für Paris, von den sexuellen Eigentümlichkeiten kleiner Pariser Mädchen.
    Alles, was der Mensch sagte, kam aus leerer Brust und war Johanna zuwider. Sie hörte nicht mehr zu, schaute durch dieoffenen Fenster auf die hellgrünen Bäume, dachte angespannt nach, warum sie hierhergekommen sei, warum eigentlich sie nicht gehe. Sie spürte, die Benommenheit der letzten Zeit war fort. Sie ärgerte sich über den Menschen, war gereizt, lebte.
    Wie sie wieder hinhörte, erzählte er von Hundepfändungen. Er sprach anschaulich, streute zynische Wendungen ein; aber er hielt Johanna im Aug, mit dem scharfen, zupackenden Blick, den sie von Dr. Geyer her kannte. Hunger und Elend in Deutschland nahm zu, schon kostete der Dollar 408 Mark. Ein Laib Brot kostete in München 15,20 Mark, ein Pfund Kakao 58 Mark, eine Lodenjoppe 1 100 Mark, ein Anzug für einen Mann aus dem Volk 925 bis 3 200 Mark. Viele konnten die Steuer nicht mehr aufbringen, die auf die Haltung von Hunden gelegt war. Sie hingen an ihren Tieren, aber woher sollten sie das Geld nehmen? Sie erlisteten für den Pfändungsbeamten hundert Ausflüchte, kamen mit Verwünschungen, Tränen, Beschwörungen. Erich Bornhaak saß auf seinem niedrigen Sessel, er sprach lebendig, die Zigarette war ihm ausgegangen. Sichtbar aus seinen Worten wuchsen die dumpf und stumm drohenden Männer, die flennenden Weiber und Kinder, die Knaben, die Schmerz und Wut standhaft verbissen. Die am Fenster klebenden Gesichter, dem fortgeführten Hund nachstarrend. Die Frauen sagten fast alle das gleiche. »Man soll nichts haben«, sagten sie stumpf, »wenn einer arm ist, wird einem alles genommen.« Er war manchmal bei solchen Pfändungen gewesen. Er betrieb nämlich auch eine Hundezucht. Besaß Preise. Die Seele von dem Geschäft sei Herr von Dellmaier. Ein fabelhafter Kerl, wirklich. »Was haben Ihnen übrigens meine Zeitungen getan?« Er starrte Johanna mit seinem frechen Lächeln an, nahm die Zeitungen vom Tisch mit den Berichten aber den Mord an dem Abgeordneten G., faltete sie sorgfältig, verschloß sie wieder. Steckte sich eine neue Zigarette an. »Ich kenne Leute, denen eine Hundepfändung an die Nieren geht. Allerbestes Kino, fabelhaft. Ich verstehe übrigens nicht, warum die Kerls ihreHunde nicht lieber auffressen. Doch, ich verstehe es; ich liebe nämlich Hunde.«
    Er wies auf die Hundemasken, erörterte sein Verfahren. Die Masken waren lebenden Hunden abgenommen, narkotisierten natürlich. Es war ein besonderes Verfahren. Mit dem üblichen ging es nicht, wegen der Haare. »Sind die Masken nicht eindrucksvoll, gerade wegen der geschlossenen Augen?« Er sprach ohne Übergang von ihrem Beruf. Sie scheine ihn aufgegeben zu haben. Er habe einmal daran gedacht, Masken von Menschen berufsmäßig herzustellen, er finde das interessant. Es schlage von fern her in ihr Fach. Ein Geschäft sei es bestimmt. Das ewige Photographieren werde den Leuten langweilig. Man mußte ein großes Büro aufmachen, den Kunden Masken abnehmen, eine Charakteranalyse geben, an Hand der Maske und der Schrift. Ob sie nicht Interesse habe an einem solchen Büro?
    Da mache er schon wieder Pläne. Ja, Projekte mache er gern. Vielleicht sei das eine Errungenschaft aus der Langeweile des Schützengrabens. Das Heldenleben an der Front, sie könne sich nicht vorstellen, zum Kotzen langweilig sei es gewesen. Einzelne Projekte seien schließlich sogar ausgeführt worden. Das mit den Hunden zum Beispiel. Er lachte sein verderbtes Jungenslachen.
    Johanna fuhr nach Haus mit gespaltenem Gefühl. Sein Anerbieten, sie im Wagen nach Paris zu bringen, lehnte sie ab. Den ganzen geckenhaften Kerl lehnte sie ab. Aber sie konnte nicht verhindern, daß sein Tonfall, sein Gesicht, seine weißen Zähne ihr im Gedächtnis blieben. Der Mord an dem Abgeordneten G., die Hundepfändungen, der fabelhafte von Dellmaier, die Fremdenführungen durch das nächtliche Paris mit den gemieteten Apachen. Der leise Geruch von Heu und Leder. Die sonderbaren Gesichter der Terrier, Doggen, Spaniels, Dackel, Schäferhunde, Windhunde.
    Sie lehnte ab,

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