0256 - Der Höllen-Salamander
Zuletzt schrie er die mächtigen Zauberworte. »Komm«, schrie er. »Zeige dich! Erscheine und diene mir, denn ich beschwöre dich mit dem Höllenzwang, der mir gegeben ist!«
Und das Wasser begann zu brodeln und Blasen zu werfen. Dann rissen die Fluten auf. Aus der Tiefe der Hölle stieg er herauf – der Höllensalamander …
***
Leonardo de Montagne kicherte böse und triumphierend.
Er, der Sohn der Hölle, war der Mann im schwarzen Umhang, der hier umringt und geschützt von seinen zehn Skelett-Kriegern am Ufer der Loire stand. Dabei brauchte er diesen Schutz eigentlich nicht einmal. Sein Amulett war Schutz genug vor jedem nur denkbaren Gegner. Die Krieger um ihn herum waren mehr eine Demonstration der Macht für jeden, der zufällig Zeuge des bizarren Geschehens wurde.
Hinter ihm, am Berghang, erhob sich Château Montagne. Diese formal gelungene Mischung aus Schloß und Trutzburg, die er vor fast tausend Jahren in seinem ersten Leben hatte errichten lassen. Damals schon hatte Leonardo das Amulett besessen, Merlins Stern, und für das Böse gewirkt. Der Teufel holte ihn dafür, als seine Lebensspanne um war, denn Unsterblichkeit hatte ihm das Amulett nicht verleihen können.
Jahrhundertelang brannte seine Seele im verzehrenden Feuer der Hölle. Doch er hielt allem stand und setzte all seine verbliebene Kraft ein, selbst zum Dämon zu werden. Fast wäre es ihm gelungen.
Doch Asmodis, der Fürst der Finsternis, erkannte, daß er selbst in Leonardo seinen größten Feind und Rivalen haben würde, wenn dieses Äon endete und Leonardo zum Dämon würde. Deshalb erließ er ihm das Höllenfeuer, gewährte ihm einen neuen Körper und ein zweites Leben und sandte ihn auf die Erde zurück. Ausgestattet mit der Macht Satans und begleitet von seinen Skelett-Kriegern eroberte Leonardo Château Montagne zurück, nahm Zamorra das Amulett wieder ab und verurteilte den Meister des Übersinnlichen zum Tode. Nur knapp hatte Zamorra entweichen können. Und er wußte, daß Leonardo alles daran setzen würde, seiner habhaft zu werden und ihn doch noch zu töten, so wie Zamorra alles daran setzen würde, wieder in den Besitz des Châteaus und des Amuletts zu gelangen, das er selbst zum Guten verwendet hatte, solange es ihm gehorchte.
Leonardo indessen begann ein neuerliches Schreckensregiment im Loire-Tal und versklavte die Bauern, die als Pächter auf Zamorras Ländereien saßen, wie einst ihre Vorfahren Leonardo zehntpflichtig waren. Niemand wagte es, sich gegen Leonardo aufzulehnen. Denn die wenigen, die es ursprünglich versuchten, bezahlten es rasch mit dem Leben. Der Montagne duldete keinen Widerstand. Seine Skelett-Krieger durchstreiften die Ländereien und unterdrückten jeden freien Gedanken.
Leonardos Pläne gingen weiter. Er machte sich mit der modernen Welt vertraut, und auch wenn er vieles, sehr vieles nicht verstand, so begriff er doch das Gefüge der internationalen Politik, erkannte, wie groß die Welt mit ihren Kontinenten und Ländern wirklich war – gerade groß genug für ihn allein, darüber zu herrschen!
Doch noch war es nicht soweit. Er machte nicht den Fehler, seine Macht zu überschätzen. Erst mußte er sich hier festigen, mußte stark werden. Wenn er die Macht über diese Provinz hatte, konnte er nach der Republik greifen, und danach erst nach anderen Ländern und dem Kontinent.
Er übereilte nichts. Sein zweites Leben hatte gerade erst begonnen. Er hatte hundert Jahre Zeit, ein Weltreich unter seiner Schreckensherrschaft zu schaffen, mehr als er je besessen hatte. Und niemand ahnte von der furchtbaren Gefahr, die hier im Loire-Tal ihren Ursprung hatte und sich langsam, zögernd nur, vergrößerte.
Niemand außer Professor Zamorra, Merlin und einigen seiner Getreuen.
»Zamorra«, flüsterte Leonardo. »Nach England bist du entwichen, niemand scheint dich aufspüren zu können, so gut ist dein Versteck! Nun, ich kann dich zwingen, dein Versteck zu verlassen, und dann schlage ich zu …«
Er entwickelte seine Idee.
Und deshalb stand er jetzt mit seinen Kriegern am Ufer und beschwor ein Ungeheuer aus den inneren Kreisen der Hölle empor.
Er war stark genug, es mit seinem Zauber zu zwingen. Er brauchte nicht einmal einen magischen Schutz. Den besorgte das Amulett, das silbern schimmernd am Halskettchen vor seiner Brust hing. In seiner Hand vermochte es alles. Dinge, die Zamorra nie gewagt hatte, von denen Zamorra nur träumte!
Leonardo beherrschte das Amulett perfekt!
Triumphierend lachte
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