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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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seine Pflicht hielt, an den vielen Möglichkeiten dieser tollen Inflationszeit nicht vorbeizusehen. Er spann Pläne, hielt Konferenzen ab, sprach wichtig und geheimnisvoll von bevorstehenden, weittragenden Veränderungen. Wenn man schon in dem großen Strom nicht mitschwamm, so war es anregend, wenigstens am Ufer die Schwimmbewegungen mitzumachen.
    Zwei Tage, bevor die Tante Ametsrieder eintraf, machte Johanna mit Erich Bornhaak den vereinbarten Ausflug an die See. Es war ein frischer, strahlend heller Tag. Der Windige, am Steuer seines kleinen Wagens, war knabenhaft vergnügt. Sie saß nachdenklich, gutgelaunt neben ihm. Er war gar nicht so windig, wie er sich gab. Wie ungeheuer beteiligt war er beim Chauffieren, wie unverstellt jungenhaft spürte er einem Eichhorn nach. Es war klar: die Leerheit und Verruchtheit, die er ihr in Garmisch und bei ihren ersten Pariser Zusammenkünften vordemonstriert hatte, war nichts als Pose. Hatte es Sinn, hier einzugreifen, hier etwas zu tun? Gab es eine Möglichkeit, ihm einen neuen, guten Start zu schaffen?
    Solange sie fuhren, machte er keine Anspielungen auf die wirre Vergangenheit, mit der er früher so gern geprahlt hatte. Als sie aber auf der schönen Strandpromenade des hellen, jetzt vor der Saison wenig belebten Badeorts spazierengingen,sagte er unversehens, mit einer Maske zwischen Spitzbüberei, Zynismus und Betrübnis: »Ich werde leider doch nicht mehr die zwei Wochen in Paris bleiben können, die ich mir vorgenommen habe.« Sie verspürte einen kleinen Ruck. »Warum?« fragte sie nach einer Weile. »Man kann eben keinen Menschen allein lassen«, sagte er weise, erwachsen. Er erzählte eine verwickelte, widerwärtige Geschichte. Er betreibe, wie sie wisse, zusammen mit Herrn von Dellmaier eine Hundezüchterei. Hauptgeschäft sei die Ausfuhr nach Amerika. Nun seien aber Hunde empfindliche Wesen, empfindlicher als viele Menschen, und mehrmals seien ihm wertvolle Tiere auf der Überfahrt eingegangen. Sie hätten also die Hunde vorher versichert. Das lag nahe, Herr von Dellmaier war Versicherungsagent. Aber die Konkurrenz, verärgert, weil ihre Züchterei floriere, scheue vor keinem Mittel zurück. Jetzt habe sie Herrn von Dellmaier angezeigt, er habe die Hunde überversichert und ihnen, um den Überpreis einzustreichen, vor der Einschiffung ein langsam wirkendes Gift gegeben.
    Dies erzählte er vor sich hin, spöttisch, frech, beiläufig, wie das seine Art war. Johanna blieb stehen, hinhörend; auch er blieb stehen, sie schauten auf das Meer hinaus. Frischer, kleiner Wind ging, weiße, nette Wellen hüpften über die glasgrüne Fläche auf sie zu. Sie schauten einander nicht an. Johanna, aufgestört, erregt, klemmte die Oberlippe ein. Er sprach weiter. Es sei unangenehm, daß junge Menschen, hätten sie das Bedürfnis, manchmal abends unter gutangezogene Leute zu gehen, gezwungen seien, berufsmäßig Hunde zu vergiften. Er lasse dahingestellt, ob es in der Zeit oder im Charakter liege.
    Johanna stand, die drei scharfen, senkrechten Falten über der stumpfen, lebendigen Nase. Der empörend überlegene, spöttisch sentimentale Ton des Jungen. Der leise Geruch von Leder und Heu. Die krankhafte Freude, mit der er beichtete. Fort von dem Lumpen. Ihn stehenlassen.
    Aber sie ging nicht fort. Sie wandte ihm vielmehr dieAugen zu, wobei sie den ganzen Kopf mitdrehte, tat den Mund auf und fragte, gespannt, ein wenig heiser: »Und wie ist das mit dem Mord an dem Abgeordneten G.? Hat sich da Neues gefunden?«
    »Mit dem Abgeordneten G.?« fragte Erich Bornhaak zurück. »Mich beschäftigt das offen gestanden weniger als das mit den Hunden. So ein Abgeordneter hat Ansichten, redet. Er sagt: Gerechtigkeit, Humanität, Zivilisation, Pazifismus. Wahrscheinlich denkt er sich sogar etwas dabei. Warum soll er nicht reden? Aber wenn er zu laut schreit, dann stört er, dann wird er lästig. Wenn Sie stark in der Arbeit sind und nebenan spielt jemand Klavier, bekommen Sie vielleicht auch Lust, den Klaviermenschen zum Schweigen zu bringen.«
    »Aber diejenigen, die sich dazu hergeben?« sagte Johanna, immer noch mit der gleichen, trockenen, tonlosen Stimme.
    Erich Bornhaak lächelte wissend, fatal: »Diese sogenannten entmenschten Burschen sind manchmal sehr nett, Ehrenwort. Es gehört sicher mehr Entschluß dazu, einen gutrassigen Hund aus der Welt zu schaffen als einen dicken, wichtigmacherischen Quasselfritzen. Gesetzt den Fall, Herr von Dellmaier hätte den Abgeordneten G. beseitigt und die

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