Erfolg
fast ein wenig verstört aus. »Schön«, sagte er, »dann werde ich also mit dem Ministerialdirektor Hartl reden.« – »Ich danke Ihnen«, sagte Johanna. »Ich habe genau begriffen, was Sie sagten«, und sie gab ihm die Hand.
Sie standen eine Weile zusammen, ehe sie sich verabschiedeten, wortlos, die gleichen Gedanken spannen von einem zum andern. »War es schön in Paris?« fragte schließlich zögernd der Anwalt. »Ich glaube, nein«, erwiderte Johanna. Sie nahm das dicke juristische Buch, ging. Der Anwalt schaute ihr am Fenster nach, vorsichtig, damit sie, umschauend, ihn nicht sehen könne. Doch das war überflüssig, sie schaute nicht zurück.
Zwei Tage später ging der Anwalt mit einem Mandanten, einem tschechischen Geldmann, der die Inflation benützte, in Deutschland billig Häuser und Grundstücke zu erwerben, durch die Ludwigstraße. Da kam ihnen im Auto ein junger Mensch entgegen, elegant, windig, grüßte obenhin, vertraulich, mit sehr roten Lippen lächelnd. Der Anwalt brach mitten im Satz ab, schluckte, zwinkerte stark mit den Augen, drehte sich um, dem Wagen nachsehend. »Was haben Sie?« fragte verblüfft der tschechische Herr; man war mitten in der Erörterung komplizierter Rechtsfragen, es ging um große Werte. Aber es war mit dem Anwalt nichts mehr anzufangen. Rote Flecke auf den Backen, bat er den erstaunten, erbosten Fremden, die Erörterung auf den andern Tag zu verschieben.
18
Für einen jeden sein Spinnerts
Kaspar Pröckl saß an seinem viereckigen Tisch, auf dem eine kleine, ramponierte Schreibmaschine stand, und arbeitete an einem Artikel »Über die Funktion der Kunst im marxistischen Staat«. Die Arbeit ging nicht recht vorwärts. Nicht nur waren an der Maschine das E und das X nicht in Ordnung, sondern es war auch die Funktion der Kunst in diesem Bezirk sehr ungeklärt, und Kaspar Pröckl, so stichhaltige Ansichten er darüber zu haben glaubte, stieß bei ihrer Formulierung auf immer neue innere Widersprüche. Er wußte deutlich, was mitdieser Funktion der Kunst los war, oder richtiger, er sah es deutlich. Denn was er dachte, gerann ihm zu Bildern, und wenn er diese Bilder aus seinem Hirn herausstellte, in seinen Balladen zum Beispiel, dann stimmten sie. Faßte er aber, was er dachte, in dürre Worte, in Prosa, dann wurde es trüb und stimmte nicht. Dieser Aufsatz über die Funktion der Kunst jedenfalls geriet nicht.
Nichts geriet. Er erinnerte sich der neuerlichen Unterredung mit der Witwe Ratzenberger. Es drängte ihn, gerade weil er von dem Manne Krüger in Zorn gegangen war, seine Befreiung zu fördern. Er hatte sich angestrengt, er war mit den Genossen Sölchmaier und Lechner, die Gefahren von seiten des jungen Rohlings Ludwig Ratzenberger nicht scheuend, noch mehrere Male zu der Witwe des meineidigen Chauffeurs gegangen. Es waren unerquickliche Unterredungen gewesen. Das idiotische Kind Kathi hatte die Männer scheu und bös aus dem Winkel angestiert, und die Frau hatte immer den gleichen Unsinn wiederholt. Wie er dann heftig wurde und zu schreien anfing, hatte das die Frau noch bockiger gemacht. Mit dem Schriftlichen, das sie ihr schließlich hatten abkämpfen können, war nach dem Urteil des Dr. Geyer nicht viel anzufangen. Wenn er für Martin Krüger etwas tun wollte, wurde es nichts. Mit seinem Jedermanns-Auto wurde es nichts. Mit Moskau wurde es nichts. Aus nichts wurde nichts. Seitdem er dem Reindl sein Gelump vor die Füße geschmissen hatte, ging alles schief.
Er stand auf, warf sich auf den Diwan. Das Atelier war hochsommerlich heiß. Er schwitzte, ging in die Küche, bereitete sich eine Limonade, schüttete sie hinunter. Lag wieder auf dem Diwan, die verschränkten Hände hinter dem hagern, geröteten Kopf, den starken Adamsapfel hochgereckt, den schmalen, langen Mund verpreßt, die verengten Augen nach innen gestellt. Auch in der Ruhe stachelig, böse.
Sein Aufsatz damals über die Mängel der deutschen Autofabrikation war viel zu zahm gewesen. Jetzt, bedauerlich spät, fielen ihm ein paar schöne, viel saftigere Wendungen zu demThema ein. Immerhin, er hatte in einer gelesenen Berliner Zeitschrift seine Meinung unmißverständlich dargelegt. Hatte mit scharfen Argumenten gezeigt, wie erbärmlich weit die deutsche Autoindustrie zurückgeworfen war durch den Krieg. Es lag an den Konstrukteuren. Die waren, wenn sie nicht kuschten und eigene Einfälle klug ihren Chefs abtraten, auf Widersprüche, Gehaltsforderungen hin ihrer Unabkömmlichkeit verlustig gegangen, an
Weitere Kostenlose Bücher