Beherrsche mich - Erotischer Roman
1
Laura konnte sich gerade noch rechtzeitig auf den Fensterplatz setzen, bevor der Teufel ihn sich schnappen konnte. Er gehörte zu den regelmäßigen Pendlern und hatte sich seinen Spitznamen wegen des akkurat getrimmten Bartes, der weißen Strähnen im Haar, des adlerähnlichen Gesichts und des schicken, dunklen Anzugs eingehandelt - alles Attribute, die ihm ein ausgesprochen diabolisches Aussehen verliehen. Zu den anderen regelmäßigen Pendlern gehörten Darcy, Mr. Brown, der Graue Mann, Miss Scarlett, der Milchschokoladen-Junge und der Vagabund. Diese sieben Menschen saßen jeden Tag im selben Zug 7.55 Uhr nach Cambridge rein und 17.40 Uhr wieder raus. All diese Menschen boten allerdings auch jede Menge Stoff für die Fantasie, um die Langeweile der langen Fahrten zu überstehen.
Laura hatte keine Ahnung, wo diese Leute lebten oder was sie taten. Sie wusste nur, auf welcher Station sie dazu und wieder ausstiegen, und kannte einige persönliche Gewohnheiten, die es erlaubten, für jeden einzelnen von ihnen eine Fantasie-Existenz zu kreieren. Darcy war der attraktive: groß, athletisch gebaut und von einer Lässigkeit, die eine anziehende Mischung aus Humor und Männlichkeit versprach. Vielleicht sogar anziehend genug, um einen Annäherungsversuch zu starten - würde der goldene Ring an seinem Finger nicht darauf hindeuten, dass bereits eine andere ihn sich geschnappt hatte.
In ihrer Fantasie existierte aber kein Ring, und sie würden eines Tages ganz allein im Abteil sitzen. Es würde keinerlei Notwendigkeit für irgendwelche höflichen Umgangsformen bestehen, und auch das vorsichtige Austesten der gegenseitigen Abwehrmechanismen, die im echten Leben so wichtig sind, würde wegfallen. Er würde wissen, dass sie willig war, und würde sie einfach nehmen. Ruhig und selbstbewusst würde er vorgehen, wenn er sie auszog, sie auf die Knie zwang, damit sie seinen Schwanz in den Mund nahm, und sie schließlich auf seine Erektion pflanzte. Kühl und beherrscht würde er ihr in seinem perfekt sitzenden Business-Anzug wieder und wieder himmlische Freuden bereiten.
Von den anderen besaß niemand die Anziehungskraft von Darcy. Der Teufel hatte zwar etwas Strenges, das sie durchaus interessant fand, wirkte aber auf eine Weise, die sie nicht ganz durchschaute, auch ein bisschen gestört. Außerdem war der Mann mindestens doppelt so alt wie sie, sodass sie ihn eigentlich lieber in der Rolle des Bösewichts sah, den sie aus diversen altmodischen Krimis kannte und liebte - also genau die Art Mann, vor der Darcy sie retten würde, bevor er als Belohnung dafür über sie herfiel.
Mr. Brown und der Graue Mann traten in ihrem Kopf nur als Paar auf. Beide waren mittleren Alters, mittlerer Größe und wahrscheinlich im mittleren Management beschäftigt. Irgendwie sah an ihnen alles nach »mittel« aus. Die Männer unterschieden sich eigentlich nur in der Art ihrer Kleidung. Der eine trug einen knittrigen braunen Anzug, der ausgesprochen gut zu seinem feinen braunen Haar passte, und der andere war ganz schlicht in Grau gekleidet. Laura stellte sich gerne vor, dass Mr. Brown ein anrüchiges Privatleben führte und vielleicht sogar Frauentauschpartys besuchte, wo er Damenunterwäsche in den grellsten Farben trug und anderen
Paaren beim Sex zuschaute. Der Graue Mann hingegen wirkte auf sie wie ein Roboter oder vielleicht auch ein Androide, der von einer der Forschungseinrichtungen in Cambridge entwickelt war und jetzt darauf getestet wurde, ob ihn jemand enttarnen könnte.
Miss Scarlett war entweder eine Spionin oder, je nach Lauras Stimmung, auch die hinterhältige Geliebte irgendeines steinreichen Industriellen. Der Vagabund war ein exzentrischer Multimillionär, der eines Tages tot umfallen und ihr sein gesamtes Vermögen vermachen würde, weil sie ihn seit vier Jahren jeden Tag zweimal angelächelt hatte. Und der Milchschokoladen-Junge war einfach nur der Milchschokoladen-Junge - ein pickliger Jüngling mit Kindergesicht, dessen einzig erkennbare Eigenschaft darin bestand, dass er immer belegte Brote in einer Plastikdose bei sich trug.
Laura machte es sich auf ihrem Platz bequem und verbrachte einen kurzen Moment damit, die Reihen der dunklen Häuser zu betrachten, die an dem immer schneller werdenden Zug vorbeizogen. Als sie genug davon hatte, zog sie ein Buch aus ihrer Tasche. Sie hatte das Taschenbuch in einem der Wohltätigkeitsläden in der Nähe ihres Arbeitsplatzes gekauft. Es stammte aus den Fünfzigerjahren und strotzte
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