Erik der Wikinger
daß sie keinen anderen heiraten würde, solange Erik noch lebte. Aber Gizur faßte es anders auf.
»Nun gut«, gab er zurück, »wenn es mir möglich ist, wird Erik sicher sterben.« Und er ging, um mit seinen Männern zu sprechen.
Nun waren alle auf dem Hof am Kaltrücken versammelt, und es war eine große Horde. Aber ihre Gesichter waren grimmig, denn sie dachten über die große Schande nach, die Gizur, Ospakars Sohn, über sie gebracht hatte. Denn er hatte Gudruda im Schlaf ermordet.
»Hört, Gefährten!« sagte Gizur. »Große Schande ist über mich gekommen, da ich unwissentlich eine gewisse Tat begangen habe. Denn ich habe auf den Adler Erik gezielt und traf den Schwan Gudruda.«
Da erhob sich ein alter Wikinger namens Ketel, den Gizur angeheuert hatte, um Erik zu töten, und sprach:
»Ob Mann oder Frau, es ist eine feige Tat, jemanden im Schlaf zu töten, Gizur! Es ist nicht weniger als Mord, und aus einer solchen Tat kann nur Unglück entstehen.«
Nun fühlte Gizur, daß die Leute ihn mißtrauisch und feindselig beäugten und daß es ihm schwerfallen würde, ihnen zu beweisen, daß er gegen seinen Willen zu dieser Tat getrieben worden war, nämlich durch Swanhilds Hexerei. So wandte er sich, wie es seine Art war, der List als Schutz zu, wie ein Fuchs in seinen Bau kriecht, und sprach mit der Zunge des Gesetzesmannes zu ihnen, denn reden konnte Gizur sehr geschickt.
»Die Geschichte, die Erik Hellauge euch erzählte, war nicht ganz richtig«, sagte er. »Er war toll vor Trauer, und überdies schien es nur so, daß er schlief und Gudruda fand, als er erwachte. Es hat sich so zugetragen: Ich stand neben der Herrin Swanhild und wollte Erik zurufen, er solle sich bewaffnen und mit mir kämpfen …«
»Dann, Herr, glaube ich, hast du noch nie einen anderen Gegner gehabt«, sprach der Wikinger Ketel, der auch zuerst gesprochen hatte.
»… als plötzlich eine weißgekleidete Gestalt aus dem Bett sprang und mich angriff«, fuhr Gizur fort, ohne auf Ketels Worte einzugehen. »Da ich glaubte, es sei Erik, hob ich das Schwert – nicht um zuzuschlagen, sondern um ihn zurückzudrängen. Doch die Gestalt im weißen Linnen lief mir ins Schwert und fiel tot nieder. Dann floh ich, da ich fürchtete, es könnten noch andere Männer erwachen und uns gefangennehmen, und das ist die ganze Geschichte. Es war nicht meine Schuld, daß Gudruda durch das Schwert starb.«
So sprach er, doch die Männer maßen ihn mit zweifelnden Blicken, denn seine Augen waren die eines Lügners – und Erik, so wußten sie genau, log niemals.
»Es ist schwer, zwischen dem Kopf und der Zunge eines Gesetzesmannes die Wahrheit zu finden«, sagte der alte Wikinger Ketel. »Erik ist kein Gesetzesmann, aber ein ehrlicher, und er sang ein anderes Lied. Fürwahr, ich würde Erik töten, denn zwischen ihm und mir gibt es eine Blutfehde, da mein Bruder durch seine Hand starb, als er mit Weißfeuer bewaffnete Männer wie die Schafe durch Middalhofs Halle trieb – ay, und dann schwertlos Ospaka tötete. Und doch sage ich, Hellauge ist ein ehrlicher Mann, und ob du, Gizur der Gesetzesmann, ehrlich bist, das weißt du am besten selbst – du und Swanhild die Vaterlose, Groas Tochter. Wenn du Gudruda so getötet hast, wie du es jetzt erzählst, wie kam dann ihr Blut an Weißfeuers Klinge? Wieso hast du Weißfeuer in der Hand gehalten und nicht dein eigenes Schwert, Gizur? Nun sage ich dir, entweder trittst du gegen Erik an und befreist dich durch einen Kampf von jedem Verdacht, oder ich verlasse dich; und ich glaube, es sind noch andere in dieser Gesellschaft, die ebenso verfahren werden, denn wir wollen keine Gefolgsmänner von Mördern und deren Verderbtheit sein.«
»Ay, gut gesprochen!« sagte der Mann, der neben Ketel stand. »Soll Gizur mit uns zum Moosberg gehen und sich dort in einem Zweikampf von jedem Verdacht reinwaschen.«
»Mehr erbitte ich nicht«, sagte Gizur. »Wir werden noch heute nacht reiten.«
»Aber du wirst viel mehr bekommen, Lügner«, sprach Ketel zu sich selbst, »denn die Stunde, in der du Weißfeuer wieder erblickst, wird auch deine letzte sein!«
So schickten sich Gizur und Swanhild an, den Kampf gegen Erik anzutreten. An diesem Tag noch ritten sie mit einer großen Gefolgschaft los, mit insgesamt hundertundeinem Mann, und dies war ihr Plan: Sie baten den Knecht, der ihnen den geheimen Pfad gezeigt hatte, sechs Männer zum Berggipfel zu führen. Diese sechs sollten, wenn sie das Geschrei jener hörten, die die
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