Leidenschaft in Rot
Eins
Ein stürmischer Nordostwind voller Februarkälte scheuchte die Touristen vom nachmittäglichen Strand und zwang sie, unter bitterlichen Klagen Unterschlupf zu suchen. Er riß graue Fetzen aus dem Atlantik und schleuderte sie klatschend auf den öffentlichen Strand am Highway von Bahia Mar. Er wirbelte losen Sand über die Windschutzscheiben der Autos, fegte durch die dicht bebauten Flächen der Docks und Bootsbecken, zerrte an den Wimpeln und fuhr heulend in die Spinngewebe der Takelagen und Ausgucke. Für die Touristen war dieser Samstagnachmittag in Fort Lauderdale beim Teufel. Zu Hause in Scranton hätten sie es schöner gehabt.
Ich hatte es mir in der Kapitänskajüte der Busted Flush gemütlich gemacht, meinem Hausboot, das an Liegeplatz F-18 vertäut war. Meine elektrische Heizung lief auf Hochtouren. In meiner ausgefransten alten Wollhose und einem alten Norm-Thompson-Flanellhemd, das mit den Jahren zu Himmelblau ausgebleicht war, lag ich ausgestreckt auf der großen gelben Couch.
Ein paar Tage zuvor hatte ich meine alten Lautsprecher auf den Müll geworfen und dafür ein Paar AR-3 an der gegenüberliegenden Wand aufgehängt. Der Scott-Tuner war auf WAEZ in Miami eingestellt, und der Fisher-Verstärker gab den neuen Lautsprechern schön Saft. Gerade lief die Columbia-Aufnahme der Fünften von Schostakowitsch, dirigiert von Bernstein, ein verteufelt starkes, mächtig heroisches Stück, und ich hatte die Lautstärke aufgedreht, so daß es richtig zur Geltung kam. Man schloß die Augen und ließ sich davontragen.
Auf der anderen Seite saß Skeeter über ihr Zeichenbrett gebeugt. Sie trug einen grauen Kordoverall, der ihr zu groß war. Alles was sie trägt, scheint ihr immer zu groß zu sein. Sie ist dreißig, glaube ich, und sieht aus wie achtzehn. Sie hat spinnwebfeine, blonde Haare, die ständig zerzaust sind, ein Gesicht wie eine Lumpenpuppe und eine schmale, anmutige kindliche Figur. Sie ist ziemlich chaotisch, verdient aber unter dem Pseudonym Annamara recht gut mit Zeichnungen für Kinderbücher. Mein Freund Meyer war vor etwa einem Jahr am Strand auf sie gestoßen. Der haarige, häßliche, liebenswerte Bursche läuft über einen Strand und sammelt außergewöhnliche Leute, wie andere vielleicht eine linksgewundene Meeresschnecke auflesen.
Bei der Arbeit streckte sie die Zungenspitze aus dem Mundwinkel. Sie war mit den Umrißzeichnungen einer frechen Feldmaus namens Quimby beschäftigt. Bei mir arbeitete sie, weil sie einen Abgabetermin hatte, ihre Wohnung drei Straßen weiter neu gestrichen worden war und ihr von dem Geruch übel wurde. Früher einmal, nach dem Verlust eines Menschen, den ich sehr geliebt hatte, waren wir in eine kurze Affäre geschlittert. Wir hatten festgestellt, daß wir damit einander nichts Gutes taten. Anscheinend weckten wir gegenseitig in uns das Talent, den ändern genau an seinen Schwachstellen zu treffen. Die Machtkämpfe wurden ein bißchen blutig, und obwohl wir aus Pflichtgefühl das Gegenteil behaupteten, war es für uns beide eine Erleichterung, als wir die Sache beendeten und den Weg zu einer lockeren und lässigen liebevollen Freundschaft fanden.
Bei den grandiosen Partien der Musik unterstützte sie Bernstein mit dem Zeichenstift beim Dirigieren. Dann machte sie sich wieder an die Arbeit an der Maus. Sie hatte ein überraschendes Talent für die Zubereitung von Seemannsgrog an den Tag gelegt, und von denen, die sie mir gemixt hatte, verspürte ich ein mildes und angenehmes Glühen. Ihren eigenen hatte sie schwächer gemacht. Quimby forderte ihre nüchterne Zuwendung.
In den donnernden Widerhall der Musik mischte sich zart und schwach das verstärkte Dingdong meiner Klingel. An einem Pfosten am Dock habe ich ein Klingelbord und am Dockende der kleinen Gangway eine Kette angebracht.
Ich erhob mich und ging nachsehen. Draußen stand eine hochgewachsene junge Frau in einem seriösen dunklen Kostüm mit einer Handtasche, die wie eine Aktentasche wirkte. Die Frau stand aufrecht da und tat, als rege sich kein Lüftchen. Sie sah aus, als würde sie durch die Gegend laufen und Kunden für eine Berufsschule anwerben. Als ich zu ihr hinausschaute, drückte sie erneut auf den Knopf. Sie hatte nichts Zögerliches an sich.
Ich ging hinaus aufs Hinterdeck, überquerte die schmale Planke meiner Gangway und schaute sie über die Kette hinweg an. Sie musterte mich eindringlich, wobei ich nicht erkennen konnte, ob sie meinen Anblick billigte oder mißbilligte. Ich kenne
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