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Erinnert

Erinnert

Titel: Erinnert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Lang
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Furcht. Ich weiß, dass seine Alpträume keine Träume waren. Er konnte die Bestien sehen wie ich. Er flüchtete vor ihnen und vor den Männern. Er war geflüchtet genauso wie ich. Und er war der Einzige, der von seinen Freunden noch übrig war. Die anderen hatten sie fortgeschleppt.
    Um auf deine Frage zurückzukommen. Ja, habe ich. Aber erst später.
    In dieser Nacht schliefen Neo und ich ein paar Stunden in der Kirche. Die Bänke waren morsche Überreste, die meisten zerstört und es regnete durch faustgroße Löcher im Dach, aber wir fühlten uns sicher.
    Wir lebten in die Tage hinein.
    Im Grunde war jeder Tag wie der vorherige.
    Essen und etwas zum Trinken stahlen wir aus seinem alten Waisenhaus. Nachts schliefen wir in der Kirche, die uns ganz allein zu gehören schien, abgesehen von den Mäusen mit denen wir Brotkrumen teilten.
    Wir hatten Decken geklaut, die uns wärmten und weich waren. Neo, nannte mich V, die Abkürzung für Violet. Er gab mir diesen Namen und ich liebte es, wenn er sich nachts an mich kuschelte und vor dem Einschlafen durch meine violetten Haare strich. Ich war seine Beschützerin. Ich schenkte ihm Geborgenheit und er gab mir soviel davon zurück. Seine Nähe ging mir unter die Haut wie ein warmer Sommerwind.
     
    Wie lange hast du dich mit Neo vor den Vollstreckern und den Männern mit den Bestien versteckt?
    Sie haben uns sechs Tage später gefunden. Aber vorher fand Sie uns.
    Ich war spazieren, hatte mich getraut Neo alleine zu lassen. Ich saß am Ufer des East-River. Das Wasser der Meerenge schob sich dahin, träge wie seit Jahrtausenden. Unberührt von den Schicksalen der Menschen an ihren Flanken.
    Die ewige Kraft der Gezeiten, die die Strömung antrieb, hatte etwas Vertrautes. Kosmisches. Ich liebte es dort zu sitzen.
    Ich dachte an die fackeltragende Statue, die unbegrenzte Freiheit und Gerechtigkeit versprach. Freiheit? Gerechtigkeit? Wahrheit? Das ist es wofür ich kämpfen werde, mein Leben geben werde, wenn es sein muss.
    Es war ein leises Versprechen. Niemand hatte es gehört, niemand hatte mich gesehen. Ich blickte hinüber, sah graue Anleger und Lagerhallen auf der anderen Flussseite. In der Ferne flussabwärts sah ich die Spitzen der Wolkenkratzer des Finanzdistrikts, sah das Skygate in den Himmel ragen. Ich hatte nicht vor dorthin zurückzukehren.
    Ich machte mich auf den Rückweg zu Neo. Als ich die Kirche betrat hörte ich es. Es waren Schreie. Es war Neo. Neos Schreie! Sie drangen durch die schmale Tür in der Kapelle ein und hallten im Kirchenschiff wider. Ich sprang über die Kirchbänke, sprang zur Seitentür und riss sie auf, bereit alles zu geben. Wenn es sein musste, dann würde ich jetzt gleich mein Versprechen einlösen.
     
    Für einen Jungen, den du vor sechs Tagen das erste Mal gesehen hattest?
    Ja, ohne zu zögern. Es war mein Versprechen am Ufer des East-River.
     
    Was hat dich vor der Kirche erwartet?
    Neo klammerte sich mit Händen und Rücken an die Mauer, die den schmalen Grünstreifen um die Kirche vor den umstehenden Gebäuden schützte. Er war ein ängstliches Bündel Elend. Ich sah, dass seine Knie zitterten. Ein Hund so groß wie ein Kalb bedrohte ihn, war zwischen uns. „Hey weg da, lass ihn in Ruhe! Verschwinde!“, brüllte ich das Vieh an und dann drehte es seinen Kopf und das Blut gefror in meinen Adern.
    Ich hätte die Kälte gleich spüren müssen, als ich vor die Tür trat. Hätte sehen müssen, dass kein Hund so mächtige Klauen hat, keinen so langen schmalen Schwanz mit Dornen an seinem Ende. Keinen Kopf ohne Ohren. Ich hätte es gleich wissen müssen, aber ich dachte es sei ein Hund und keine Bestie. Im ersten Moment glaubte ich, jetzt ist es zu Ende. Ich war keine Kriegerin, ich war ein Doc. Mein geschultes Auge erkannte, dass Neo unverletzt war. Aber woher kam das ganze Blut, in den Ritzen der Pflastersteine. Und dann sah ich, dass Sie es war. Die Bestie aus jener Nacht. Die Bestie, der ich über den Schädel gestrichen hatte. Ich machte einen Schritt auf sie zu und unsere Blicke trafen sich wie in jener Nacht. Ich spürte, da war eine Verbindung zwischen uns.
     
    Was? Was für eine Verbindung?
    Da war etwas Vertrautes. Oberster Gesandter, bist du schon einmal einem Fremden begegnet und hattest das eindringliche Gefühl ihn schon lange zu kennen? Von so einer Verbindung spreche ich.
    Sie war verletzt, hatte viel astrales Blut verloren. Ich führte sie in die Kirche. Neo folgte uns - zögernd. Ich hatte viele menschliche Wunden

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