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Erinnert

Erinnert

Titel: Erinnert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Lang
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dunkler, trotzdem konnte ich die Angst in ihnen sehen. Ich machte für ihn Platz und er kroch tatsächlich zu mir herein. „Warum hast du solche Angst?“, fragte ich ihn. Er war völlig durchnässt, zitterte am ganzen Körper. Dann konnte ich sie auch spüren. Die Kälte. Sie kroch zu uns herunter, strich über meine Füße, meine Haut. Ich erstarrte. Eine Bestie war in der Nähe.
    Oberster Gesandter, glaubst du an Zufälle?
     
    Zufälle?
    Wenn ich auf die Ereignisse jener Nacht zurückblicke, sie aneinanderreihe, dann bin ich mir sicher, dass es keine Zufälle gibt. Es kann kein Zufall gewesen sein, dass sich Neo gerade zu jener Zeit vor meiner Luke versteckte.
    Ich schob den schwarzen Jungen hinter mich, wollte ihn schützen. Zumindest wollte ich es versuchen. Ich befahl meinem Körper, sich der Luke zu nähern. Die Kälte legte sich auf mein Gesicht wie eine dünne Eisschicht. Sie war da, schnüffelte keine fünf Meter entfernt. War so groß wie ein junges Kalb. Sah aus wie Bestien aussehen. Einen Schwanz mit Dornen. Eine Haut die glänzte wie Metall. Keine Ohren und zäher Speichel triefte in langen Fäden auf den Asphalt.
    Sie wusste, dass Neo nicht weitergegangen war. Sie konnte ihn riechen, mich riechen.
    Es war das erste Mal, dass ich einer Bestie so nah war. Ich hätte mich fürchten sollen, aber ich fand dieses Geschöpf interessant. Ich hätte mit dem Jungen davon rennen sollen, stattdessen beobachtete ich mich dabei, wie ich sie anstarrte. Wie sie den Schädel hob. Drehte. Wie sich unsere Blicke trafen und ineinander haften blieben.
    Das Dunkel in ihren Augen war unergründlich. Sie rührte sich nicht, starrte nur zurück. Ich behielt die Fassung, wappnete mich geistig für einen bevorstehenden Angriff, aber sie hatte nichts dergleichen im Sinn.
    Ich weiß nicht, was mich dazu veranlasste meine Lippen zu bewegen. „Komm!“, flüsterte ich und sie kam zu mir, bis an die Luke. Ich spürte keine Angst, als ich meine Hand zu ihr ausstreckte und über ihren nackten Schädel strich. Sie war eiskalt, aber in ihren Augen erblickte ich einen Funken Wärme. Dann entdeckte sie den Jungen. Schlagartig spannte sich ihre ganze Bestiengestalt an und ihre Augen, sie funkelten jetzt gefährlich. „Hör auf!“, befahl ich ihr und sie hörte auf, sah mich an wie ein treuer Hund, der etwas falsch gemacht hatte. Dann hörte ich die Stimmen der Männer. Sie riefen nach ihr und die Bestie bebte. Ich spürte, dass sie Angst hatte. „Geh zu ihnen!“, sagte ich und sie gehorchte.
     
    Haben euch die Männer entdeckt?
    Es waren nicht nur Männer. Sie hatten noch mehr Bestien dabei. Bestien kaum größer als Hunde und sie führten sie an seltsamen Leinen, wie Hundeleinen. Die Männer haben uns nicht gefunden, aber die Bestien haben uns gerochen.
     
    Wie Haifische das Blut!
    Ja. Ich war mir sicher, dass sie, die Bestie, die mir gehorcht hatte, so etwas wie der Anführer des Rudels war. Wie ein Alphawolf. Ich war mir sicher, sie hatte die anderen Bestien zurückgehalten, damit wir fliehen konnten. Wir verließen den Keller, das Haus, den ganzen Häuserblock, bevor sie Gelegenheit hatten uns zu folgen. Zum Glück war die Luke in den Keller schmal genug für ein Mädchen und einen Jungen, aber zu schmal für erwachsene Männer.
    „Wie ist dein Name“, fragte ich ihn, als wir uns Stunden später, im Schatten einer verlassenen Kirche in Sicherheit wiegten.
     
    Schatten?
    In Sektion 13 gab es keinen nennenswerten Unterschied zwischen Tag und Nacht. Neonlichter über den Straßen, Screens an den Wänden machten die Nacht zum Tag.
    „Neo“, antwortete er leise. Ich schätzte ihn auf höchstens neun Jahre. Er trug Lumpen und keine Kleider. Roch ungewaschen und seine Augen sahen schwach und kränklich aus. Ich gab ihm den Rest der Marmelade und mein Wasser. „Was wollten die Männer von dir?“, fragte ich ihn, nachdem er gegessen hatte, aber noch lange nicht satt aussah. „Weiß ich nicht. Weiß nur, dass keiner meiner Freunde zurückgekommen ist.“ „Haben die Männer mit den Bestien deine Freunde mitgenommen?“ Er nickte. Ich fragte mich, wer die Männer waren, die Bestien an der Leine führten. Wer um Himmels Willen entführt Kinder?
     
    Hast du es herausgefunden?
    Neo war ein Waise. Seine Eltern wollten ihn nicht oder waren tot. Er wusste es nicht. Neun Jahre hatte er in einem Waisenhaus in Sektor 2 gelebt, bevor die Alpträume kamen und die Kinder auf rätselhafte weise verschwanden. Er und seine Freunde flohen aus

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