ErosÄrger
dieses Interview führen würde. Und du hast es akzeptiert! Schaffst du es vielleicht, dich fünf Minuten lang wie ein Erwachsener zu benehmen, statt wie das Rindvieh, das du bist?!«
»Hat sie gerade die WerRinder beleidigt?«, erkundigte sich eine weibliche Stimme hinter Tatjana und Sandros Lächeln wuchs hinter seinem schwarzen, struppigen Vollbart in die Breite. Hätte die Journalistin nicht gewusst, dass er sich über ihre Situation amüsierte, hätte sie ihre Meinung ob seines Aussehens in dieser Sekunde revidiert.
Mit gutem Willen – und einem ebenso guten Rasierapparat könnte man Bart und Haare
…
»Hat sie!«, stimmte eine zweite Stimme zu. Ebenfalls weiblich.
»Nein!«, wehrte Tatjana ab und überspielte ihre Überraschung über die zwei Neuankömmlinge durch einen autoritären und sehr selbstsicheren Tonfall. »Habe ich nicht! Ich meinte ihn! Ausschließlich ihn!«
Als Sandro weiterhin feixte und keine Anstalten machte, Tatjana vorzustellen oder die beiden Frauen zu beschwichtigen, stand die Journalistin auf. Sie drehte sie sich um und gönnte sich einen Blick auf die beiden hübschen Brünetten, die Sandro mit verliebten Kuhaugen anhimmelten – und mit einem Mal war es Tatjana egal, ob sie ihre Sendung bekam. Sie wollte nur noch weg. Fünf Schritte später war sie an der Ausgangstür.
»Tatjana?!« Wider besseren Wissens drehte sie sich zu Sandro um, der ob ihres plötzlichen Aufbruchs aufgestanden war. Die beiden WerKühe flankierten seine Seiten, und ihr höhnisches Lächeln war es, das die Journalistin trotz Sandros aufgewühltem Gesichtsausdruck und beschwichtigendem Tonfall nach der Klinke greifen ließ.
Die Welt kippte in einem Realitätsflip. Konturen verblassten und intensivierten sich gleich darauf wieder. Mehr als je zuvor.
Als Sandro abermals ihren Namen rief, sah Tatjana ihn mit ihrer neuen Wahrnehmung an. Ihr Herz setze einen Schlag aus. Dann klopfte es nur noch im Takt eines einzigen Wortes:
Ja! Ja, ja, ja!
Verträumt ließ die Journalistin die Klinke los, stolzierte zurück, wobei sie die wütenden Kühe ignorierte, und küsste den verdutzten Sandro. Intensiv.
Nicht einmal kam ihr das Interview in den Sinn oder ihre jahrelange Wut. Nur noch die Liebe.
KAPITEL 1
Der Kuss war lang und intensiv. Die Lippen verschmolzen miteinander, trennten sich, fanden wieder zueinander und auch die Personen schienen mehr als einmal zu einem einzigen Lebewesen zu werden. Obwohl ich eine gefühlte Ewigkeit zusah, konnte ich mich von dem Anblick einfach nicht losreißen. Wie mesmerisiert stand ich in der Tür und starrte auf das seltsame Pärchen, das sich einfach nicht voneinander löste.
Statt dem üblichen Hochgefühl wenn sich zwei Liebende fanden, fühlte ich eine schmerzhafte Leere in meinem Inneren, die über die allgemeine Verzweiflung hinausging, die ich normalerweise unterschwellig empfand. Seit Tagen hatte ich gewusst, dass dieser Moment kommen würde, hatte gebetet, dass es schnell ginge, unspektakulär. Trotz besseren Wissens fühlte ich mich jetzt betrogen. Natürlich war absehbar gewesen, dass es so enden würde, aber musste es deswegen wirklich
so
enden?
Eine einsame Träne rollte meine Wange hinab und ich wischte sie wütend fort. Lukas, der sich endlich von seiner Frau gelöst hatte, sah sie trotzdem. »Hör auf zu heulen und freu dich, Lil.«
Er hielt mir die Hand entgegen, eine stumme Aufforderung, näher zu treten, der ich augenblicklich nachkam. Zwei Schritte später bereute ich meinen Wagemut. Mina sah noch schlimmer aus, als ich aus den Erzählungen und den Bildern hatte schließen können. Mehr ein lebendiges Skelett, als die schöne, energische Frau, die ich vor Jahren kennengelernt hatte. Aus hohlen Augen blickte mir jetzt eine zerbrechliche Frau entgegen, viel zu fragil, um den Körper, in dem sie wohnte, überhaupt noch aufrecht halten zu können. Aber sie hielt ihn aufrecht, auch wenn sie dazu Lukas´ Hilfe benötigte.
Ich schenkte ihr ein Lächeln und versuchte, mir den Schock nicht anmerken zu lassen. Deswegen war ich doch hergekommen, hergebeten worden. Das Wissen half kein bisschen.
»Hallo, Lil.« Die Stimme der Frau klang ebenso verbraucht, wie ihr Leben, dessen kläglicher Rest Sekunde für Sekunde aus ihrem Körper hinausflossen. Mina reichte mir die Hand. Ich nahm sie behutsam in meine. Sie war eisigkalt, die Haut runzlig unter meinen Fingern, dünn wie Pergament von der Chemo-Therapie. Einen Moment lang fühlte Ich mich verloren und kämpfte gegen die
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