Erst mal bis zur nächsten Kuh...
von allein gültig geworden. „Sie kommen vom Bodensee?“, fragt
die junge Frau im Oficina de Peregrinos freundlich
und blättert interessiert in meinem „ Credencial de peregrino “, wie der Pilgerpass in Spanisch heißt.
Sie betrachtet den Engel der
Auferstehung auf der zweiten Seite von der Insel Reichenau und füllt dann die
Urkunde aus:
CAPITULUM
HUIUS ALMAE APOSTOLICAE ET METROPOLITANAE ECCLESIAE COMPOSTELLANAE SIGILLI
ALTARIS BEATI JACOBI APOSTOLI CUSTOS, UT OMNIBUS FIDELIBUS ET PEREGRINIS EX
TOTO TERRARUM ORBE, DEVOTIONIS AFFECTU VEL VOTI CAUSA, AD LIMINA APOSTOLI
NOSTRI HISPANIARUM PATRONIACTUTELA-RIS SANCTI JACOBI CONVENIENTIBUS, AUTHENTICAS
VISITATIONIS LITTERAS EXPEDIAT, OMNIBUS ET SINGULIS PRAESENTES INSPECTURIS,
NOTUM FACIT DOMINUM GEORGIUM BARTH HOC SACRATISSIMUM TEM-PLUM PIETATIS CAUSA
DEVOTE VISITASSE. IN QUORUM FIDEM PRAESENTES LITTERAS, SIGILLO EJUSDEM SANCTAE
ECCLESIAE MUNITAS, EI CONFERO.
DATUM
COMPOSTELLAE
DIE
5 MENSIS AUGUSTI
ANNO
DOMINI 2006
„Das Kapitel dieser Heiligen
Apostolischen Erzbischöflichen Compostellanischen Kathedrale, Kustos des Siegels des Altars des Apostels St. Jakobus, damit es
allen Gläubigen und Pilgern, die, von überall her kommend, mit Andacht oder auf
Grund eines Gelübdes vor dem Apostel Jakobus, unseres Schutzpatrons Spaniens,
eine authentische Urkunde des Besuchs ermögliche, beurkundet im Beisein aller,
die diese Urkunde lesen möchten, dass Herr Georgius - Juergen - Barth der Frömmigkeit wegen andächtig diese hochheilige Kirche besucht hat.
Im Vertrauen darauf überreiche ich ihm diese Urkunde, die mit dem Siegel dieser
Heiligen Kirche bekräftigt ist.
Gegeben
in Santiago de Compostella
am
5. Tag des Monats August
im
Jahre des Herrn 2006“
Und was bleibt vom Weg?
Was nehme ich mit? Welche Erfahrungen?
Zunächst einmal die Erfahrung, dass es
zu Hause auch ohne mich geht. Ich bin nicht unersetzlich. Ich kann Weggehen -
und die Welt dreht sich weiter. Eine Entlastung. Ich gehe den Weg Tag für Tag,
lese keine Nachrichten, schaue nicht fern. Auch die Fußballweltmeisterschaft
geht völlig an mir vorbei. Und ich vermisse nichts davon. Ich muss nicht alles
wissen, ich muss nicht alles lesen, nicht alles sehen, nicht alles begreifen.
Ich bin einfach da, und vor mir ist der Weg, den ich gehe. Damit verbunden das
andere: Ich bin aus der Rolle gefallen im wahrsten Sinne des Wortes. Der
Pfarrer wird zum einfachen Wandersmann. Und auch das geht. Ich bin nicht nur
jemand, weil ich der Pfarrer bin. Ich bin auch jemand, wenn ich einfach nur
meinen Weg gehe. Und die Welt dreht sich weiter. Und ich bin dabei ein ganzer
Mensch, ich bin nicht nur jemand, weil ich etwas Bestimmtes tue, kann,
repräsentiere. Das hat mir gut getan.
Überhaupt: Das Gehen tut gut. In
den Pilgerregeln heißt es: Wenn du nicht mehr weiter kannst, nicht mehr weiter
weißt, geh einfach! Im Gehen klärt sich manches. Das ist eine große Wahrheit:
Im Gehen klärt sich manches. Gehen ist besser als Sitzen und Grübeln. Gehen hat
etwas Befreiendes. Du gehst und du tust etwas, es wird etwas anders durch das
Gehen. Bewegung als Klärung.
Ich habe viel Freundlichkeit erfahren
auf dem Weg. Es gibt viele freundliche Menschen auf der Welt, Menschen, die dir
weiterhelfen, dir den Weg zeigen, ja, die manchmal ein Stück mitgehen. Ein
Mann, den ich nach dem Weg gefragt habe, ist mit mir einen ganzen Berg hochgelaufen , um mir den richtigen Weg zu zeigen. Und als
ich ihn darauf angesprochen habe, hat er gesagt: „Es ist heute Sonntag, ich
habe Zeit.“ Was für eine noble Geste! Ich habe gestaunt über eine solche
Haltung. Wie ist es möglich, die Menschen im wilden Hass gegeneinander
aufzuhetzen, habe ich oft gedacht auf dem Weg.
Von Natur aus käme keiner auf den
Gedanken, andere abzuschlachten. Wenn jeder nur einen Rucksack hätte und einen
Wanderstab, wenn jeder spürbar die Wegweisung des anderen brauchen würde, es
gäbe keinen Krieg!
Nicht alle Menschen sind freundlich.
Aber man erträgt auch Unfreundlichkeit, wenn man sich klarmacht: Wer
unfreundlich ist, wendet sich nicht gegen dich. Er hat zunächst einmal ein
Problem mit sich selbst.
Gastfreundschaft - Mit anderen zu essen und dabei vielleicht
sogar noch ein Lied zu singen, einen Psalm zu beten - hier öffnet sich eine Tür
zum Himmel. „Möchten Sie mit uns essen?“ Was für ein Satz! Die gemeinsame
Mahlzeit ist nicht ohne Grund in der Gemeinde, in Bibel und Kirche ein Abbild
des Paradieses. Wie
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