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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Verne
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der die Ankunft des englischen Geschwaders in Kopenhagen anmeldete.
    – Was meinst Du, laß uns den Abgang des ersten Dampfers versäumen, sagte ich zu meinem Bruder, um dafür der Einfahrt der englischen Schiffe in den Sund beizuwohnen.«
    Etwa eine Stunde später defilirte die aus acht Panzern bestehende Flottenabtheilung vor Helsingör, jedes Schiff in vorschriftsmäßigem Abstande und der Admiral an der Spitze.
    Dieses Schauspiel wog gewiß eine Stunde Verzögerung auf.
    Um vier Uhr gingen wir wieder an Bord eines Dampfers, der gegen sechs Uhr in Kopenhagen eintrifft, und passirten da in kurzer Entfernung die englischen Schiffe, welche ihres großen Tiefganges wegen der Citadelle gegenüber vor Anker gegangen waren.
XV.
    An Bord des »Saint Michel« zurückgekehrt, war der erste Mensch, der sich zeigte, der »Gentleman«, der uns voller Ungeduld zu erwarten schien.
    Da es sehr warm war, hatte Thomas Pearkop den Rock abgelegt und bot so in Hemdärmeln ein uns noch neues Bild. Seine weite Hofe aus grobem blauen Tuch, die ihm bis unter die Achseln reichte, erinnerte durch ihre Länge an diejenigen, welche vorsorgliche Eltern ihren in starkem Wachsthum befindlichen Kindern machen lassen. Sehr kurze röthliche, mit weißen Blumen bestickte Hosenträger hielten das gewaltige Bauwerk, in welchem der »Gentleman« offenbar ohne große Mühe ganz und gar verschwinden können mußte. Ungeheure Taschen, wirkliche Höhlen, öffneten sich an den Seiten, und die Anschwellung derselben verrieth, welche Unmasse verschiedener Gegenstände in ihrer dunklen Tiefe schlummern mochte.
    Thomas Pearkop wußte nicht, daß wir von Helsingör zurückkamen. Auf seinem breiten, gutmüthigen Gesicht glänzte jetzt offenbar ein Gefühl von Stolz. So sagte er zu uns auch mit einer gewissen Feierlichkeit im Tone: »
Gentlemen, the british squadron! You did not see the british squadron?
    – Freilich, antwortete ich, haben wir das britische Geschwader gesehen. Sie kommen wieder zu spät, wie mit dem Kometen, mein wack’rer Lootse. Aber trösten Sie sich, diesmal ist’s Ihr Fehler nicht! Sie konnten das Geschwader nicht wohl eher sehen als wir, da wir uns in Helsingör befanden, als dasselbe in den Sund einlief und…
    – Ah, das muß herrlich gewesen sein!« unterbrach mich Thomas Pearkop, mit einem solchen Ausdruck von Neid und lebhaftem Bedauern, diesem Schauspiele nicht haben beiwohnen zu können, daß ich gegenüber dieser wirklichen Explosion von Patriotismus die Lust zu scherzen gänzlich verlor.
    Die Engländer haben wohl ihre Grillen – welches Volk hätte solche nicht? – aber nach einer Seite muß man ihnen Gerechtigkeit widerfahren lassen. Wenn man mit ihnen über ihre Flotte, ihre Armee, über die Freiwilligen oder über die Regierung des Landes spricht, so wird man sie, selbst in ihren beliebten Uebertreibungen, niemals lächerlich finden. Bringt man sie auf dergleichen Themata, so wallt in ihnen leicht, vielleicht etwas zu leicht, ein patriotisches Fieber auf; doch wer möchte sie darum tadeln?
    Ihre Minister mögen sich täuschen, Fehler über Fehler begehen, vor einem Fremden wird der Engländer niemals ein verächtliches Wort über sie aussprechen. Man verfolge ihre Presse, ihre großen Tagesblätter, selbst diejenigen, welche der Regierung feindlich gegenüber stehen, niemals wird man darin grobe Artikel, injuriöse Thatsachen, gemeine oder nur herabwürdigende Epitheta finden. Immer bleibt der Ton ein höflicher, und wenn das nicht mehr der Fall ist, verliert das betreffende Blatt einfach seine Abonnenten. Der lange, ungestörte Genuß weitreichender Freiheiten hat das englische Volk gewöhnt, diese niemals zu mißbrauchen.
XVI.
    Schon am Tage nach unserer Ankunft in Kopenhagen hatten wir dem französischen Ministerresidenten und dem Kanzler der Gesandtschaft einen Besuch abgestattet. Beide empfingen uns ungemein freundlich und versprachen, auf unsere Einladung, auch einmal an Bord des, »Saint Michel« zu kommen.
    Da wir voraussetzten, es werde den Herren angenehm sein, eine kleine Spazierfahrt zu unternehmen, sorgten wir am verabredeten Tage dafür, daß unser Schiff Dampf hatte, als sie an Bord stiegen.
    Nach einer kurzen Besichtigung der Yacht selbst, welche nach allen Seiten ihren Beifall fand, schlug mein Bruder vor, auf die Rhede hinaus zu dampfen, was mit Vergnügen angenommen wurde.
    Unverzüglich wurden die Taue gelöst, und eine Viertelstunde später lag der, »Saint Michel« wenige Kabellängen neben dem

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