Erzählungen von der Eroberung Spaniens (German Edition)
das Meer überschauenden Felsen liegt, in düsteres Nachdenken versenkt saß. Mit schmerzlicher Angst gedachte sie der neulichen Unfälle, die ihre Familie getroffen; da hörte sie klägliche Töne, als wenn der Seewind um die Mauern der Veste stöhnte. Sie schlug ihre Augen auf und sah ihren Bruder, den Bischof Oppas, an dem Eingange des Gemaches stehen. Sie beeilte sich, ihn zu umarmen, aber er hielt sie mit einer Bewegung seiner Hand zurück; und sie bemerkte, daß er todtenbleich war und daß seine Augen wie lodernde Flammen glänzten.
»Berühre mich nicht, Schwester,« sagte er mit trauriger Stimme, »auf daß du nicht von dem Feuer verzehrt wirst, das in mir wüthet. Wache über deinen Sohn mit Sorgfalt; denn Bluthunde sind ihm auf der Spur. Seine Unschuld hätte ihm vielleicht den Schutz des Himmels gesichert, aber unsere Verbrechen haben ihn mit in unser Verderben gezogen.« –
Er sprach nicht mehr und war nicht mehr zu sehen. Sein Kommen und sein Gehen waren zumal ohne Geräusch, und die Thüre des Gemaches war fest vermacht geblieben.
Am nächsten Morgen kam ein Bote mit der Nachricht, der Bischof Oppas sei von den empörten Christen der Asturien in dem Kampfe gefangen worden und habe gefesselt in einem Thurme auf dem Gebirge den Tod gefunden. Derselbe Bote brachte die Kunde, der Emir Alahor habe mehrere der Freunde ihres Gemahls tödten lassen und den Grafen Julian gezwungen, sich in ein Schloß in Aragonien zu flüchten, um sein Leben zu retten; der Emir selbst schicke sich an, mit einer beträchtlichen Schaar zu Ceuta zu landen.
Die Gräfin Frandina war, wie bereits bemerkt worden ist, ein Weib von muthigem Herzen, und die Gefahr gab ihr die Kraft der Verzweiflung. Unter der Besatzung befanden sich fünfzig maurische Krieger; sie fürchtete, diese mögten sich als Verräther erweisen und sich ihren Landsleuten zugesellen. Sie forderte daher die Anführer vor sich, unterrichtete sie von der drohenden Gefahr und befahl ihnen, diese Mauren zu tödten. Die Wachen beeilten sich, ihren Befehl zu vollziehen. Fünfunddreißig dieser Mauren waren, keine Gefahr ahnend, auf dem großen Platze, als ihre Henker sich an sie anschlossen und auf ein verabredetes Zeichen sie auf der Stelle niederhieben. Die übrigen fünfzehn flüchteten sich in einen Thurm. Sie wurden der Flotte des Emirs in der Entfernung ansichtig, und hofften im Stande zu sein, bis zu der Ankunft derselben auszuhalten. Auch die Krieger der Gräfin sahen die Schiffe und boten Alles auf, um sich dieser Feinde im Innern zu entledigen, bevor sie von Außen angegriffen würden. Sie machten wiederholte Versuche, den Thurm zu stürmen, wurden aber oft mit schwerem Verluste zurückgeschlagen. Sie untergruben ihn dann und stützten seine Fundamente mit hölzernen Gerüsten. An diese legten sie Feuer und entfernten sich eine Strecke, wobei sie einen fortwährenden Regen von Bolzen und Pfeilen unterhielten, um die Mauren zu hindern, herauszubrechen und die Flammen zu löschen. Das Gerüst war bald eine Beute der Flammen, und als es verzehrt war, stürzte der Thurm zusammen. Einige der Mauren wurden von den Trümmern zerquetscht; Andere wurden weit weggeschleudert und an den Felsen zerschmettert, und die Ueberlebenden machte man augenblicklich mit dem Schwerte nieder.
Zur Zeit der Vesperstunde kam die Flotte des Emirs zu Ceuta an. Er landete; fand aber, daß man ihm die Thore verschlossen hatte. Die Gräfin selbst redete ihn von einem Thurme herab an, und bot ihm Trotz. Der Emir belagerte die Stadt augenblicklich. Er fragte den Sternkundigen Yuza um Rath; dieser sagte ihm, sein Stern würde sieben Tage das Uebergewicht über den des jungen Alarhot’s, des Grafen Julian Sohn, haben; nach dieser Zeit aber würde der Jüngling seiner Macht nicht mehr unterworfen werden können und den Emir verderben.
Alahor befahl sogleich, die Stadt von allen Seiten anzugreifen, und es gelang ihm endlich, sie durch Sturm zu nehmen. Die Gräfin flüchtete sich mit ihren Schaaren in die Veste und begann eine verzweifelte Vertheidigung; aber die Mauern wurden untergraben und hart bedrängt, und sie sah, daß bald jeder Widerstand vergeblich sein würde. Alle ihre Gedanken waren nun darauf gerichtet, ihr Kind zu verbergen.
»Gewiß,« sagte sie, »denken sie nicht daran, meinen Sohn unter den Todten zu suchen!«
Sie führte ihn daher in eine dunkle, schauerliche Kirche.
»Du fürchtest dich nicht, in dieser Dunkelheit allein zu bleiben, mein Kind?« sagte sie.
»Nein,
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