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Es grünt so grün

Es grünt so grün

Titel: Es grünt so grün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ward Moore
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waren, aber überall sonst drang das Gras wie eine Flutwelle vor; seine Geschwindigkeit schien durch die zurückliegenden Monate der Unterdrückung noch beschleunigt. Es verschlang San Diego wie einen kleinen Happen und überschritt die Grenzen der Vereinigten Staaten, um mit einem schnellen Zungenschlag Baja California zu vereinnahmen. Es setzte sich in Wüsten fest, deren Wasserlosigkeit keine Abschreckung darstellte, indem es jetzt kleine Gruppen wie Fallschirmjäger oder fünfte Kolonnen vorausschickte; sie bildeten Brückenköpfe, bis der Hauptkörper kam und die errungenen Positionen befestigte. Es wanderte hohe Berge hinauf und verschonte nur die schneebedeckten Gipfel, sprang über reißende Flüsse mit der Gewandtheit eines kleinen Mädchens, das Himmel und Hölle spielt.
    Im Osten stieß es nach Arizona und Nevada vor, breitete sich nordwärts durch Fresno im San-Joaquin-Tal aus und ergoß sich über dem Kamm der High Sierras auf den Tahoe-See zu. New Los Angeles, auf der einen Seite vom Salton Sea geschützt, wurde wie die ehemalige Metropole in einer Zangenbewegung erfaßt, die alles Leben erstickte, noch ehe die Stadt zwei Jahre alt war.
    Erneut zum Umzug gezwungen, verlangte Le ffaçasé bezeichnenderweise, daß die Angestellten der Zeitung die Last zu tragen hatten; mit der billigen Ausrede, es sei kein Geld zur Verfügung, bezahlte er sie mit Schuldscheinen. Ich sah keine Zukunft darin, auf diesem sinkenden Schiff zu bleiben, und da ich begierig darauf war, im Zentrum des Geschehens zu sein – Fles hatte mir geschrieben, daß die großen Lagerbestände des Pemmikon, die während der flauen Zeit angehäuft worden waren, jetzt gewinnträchtig verkauft werden konnten –, löste ich zum zweiten Mal meine Verbindung mit dem Intelligenter und kehrte in die mir angemessene Umgebung zurück.
    Dies bedeutete selbstverständlich nicht, daß ich nicht jeden Schritt des Grases verfolgte; ein anderes Verhalten wäre auch ziemlich unmöglich gewesen, denn jede seiner Bewegungen betraf das Leben und Schicksal jedes Bürgers. Aus irgendeinem merkwürdigen Grund verschonte es die ganze Küste nördlich von Santa Barbara. Ob es irgendeine Abneigung dagegen hatte, sich dem Salzwasser zu nähern – auf seinem Vormarsch nach Westen war es bemerkenswert langsam gewesen –, oder ob es sich um reinen Zufall handelte: San Luis Obispo, Monterey, und San Francisco blieben unberührt, als die Städte im Süden und Osten unter Lawinen aus Gras begraben wurden. Diese merkwürdige Gnade erregte in einigen seltsame Hoffnungen: Vielleicht würde ihre Stadt oder ihr Staat verschont.
    Der Niedergang des Lands, der mit der ersten Welle der Panik eingesetzt hatte, mußte aufgehalten werden. Die Regierung schaltete sich ein und verstaatlichte zuerst die Banken, dann die Eisenbahnen. Aufgegebener Grundbesitz wurde als verwirkt erklärt und für die Besiedlung freigegeben. Die Preise wurden kontrolliert und die Farmer gezwungen, Erzeugersteuern zu bezahlen.
    Obwohl diese Maßnahmen dem Leben der Nation eine gewisse Normalität zurückgab, blieb es doch eine schwache Imitation der früheren Verhältnisse. Viele der stillgelegten Fabriken öffneten ihre Tore nicht mehr, andere produzierten mit geradezu schmerzlicher Vorsicht. Waren, die ohnehin schon selten waren, verschwanden fast völlig, und gleichzeitig erfaßte die Menschen rücksichtslose Mißachtung früher geheiligter Symbole. Das Gras kam, warum zum Teufel sollte man also seine Raten bezahlen? Das Gras kam, warum sollte man also seine Dollars zusammenkratzen, um Hypotheken abzutragen? Das Gras kam welchen Zweck hatte es, das Geld auf Banken zu deponieren, die wahrscheinlich am nächsten Tag schon bankrott gingen?
    Wären die Preiskontrollen und andere strenge Maßnahmen nicht gewesen, wäre die Inflation noch schlimmer geworden. Das Überangebot an Arbeitskräften war gewaltig, und die Löhne und Gehälter erreichten ein Minimum, und das in einer Währung, mit der man wenig kaufen konnte. Plötzlich fanden sich die Vereinigten Staaten, die sich so lange als reichstes Land der Welt gerühmt hatten, in verzweifelter Armut wieder.
    Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen der Regierung trugen wenig zur Erleichterung des Proletariats bei. Die Todesfälle aufgrund von Unterernährung stiegen beträchtlich an, und die schwachen Streikbewegungen in den wenigen noch arbeitenden Branchen wurden von hungernden Streikbrechern, die sich ihrer Tat zwar schämten, aber verzweifelt bemüht waren, ihre

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