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Es klopft

Es klopft

Titel: Es klopft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Hohler
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jemand anderem verwechselt?
    Manuel erschrak, als es an die Scheibe klopfte. Seine Frau stand mit dem kleinen Thomas an der Hand auf dem Perron in Erlenbach, und mit ein paar Sätzen gelang es ihm gerade noch, die Tür zu erreichen und auszusteigen, bevor der Zug nach Herrliberg weiterfuhr.
    »Julia«, sagte er lachend und küsste sie auf die Wange, »das war knapp.« Dann nahm er Thomas auf den Arm: »Und du bist auch gekommen, Thomi? Das ist aber lieb.«
    »Miam schläft«, sagte Thomas.

    »Woran hast du denn gedacht?« fragte Julia, »du warst ganz versunken.«
    »An die Tagung«, sagte Manuel, »es war sehr interessant.«

3
    J ulia öffnete den Renault auf dem Bahnhofparkplatz; auf dem Rücksitz lag die einjährige Mirjam in einer Babytrage und schlief.
    »Miam schläft«, sagte Thomas laut.
    »Pssst«, sagte sein Vater und hielt einen Finger an die Lippen. Julia hob den Buben in sein Kindersitzchen und versuchte leise die Tür zu schließen, aber dennoch konnte sie einen kleinen Knall nicht vermeiden, der gerade stark genug war, Mirjam zu wecken. Die begann zu weinen.
    »Miam wach«, sagte Thomas.
    »Macht nichts«, sagte Manuel, der vorne eingestiegen war, lehnte sich über seinen Sitz nach hinten und sagte: »Mirjam, schau wer da ist! Miri, Miri, Miri!« Dazu bewegte er winkend seine Finger und zwinkerte ihr zu.
    Aber Mirjam schaute nicht, wer da war, sondern beharrte weinend auf ihrem Unbehagen.
    »Wir sind bald zu Hause!« rief die Mutter nach hinten und startete den Motor. Mirjam fuhr fort zu weinen.
    »Miam still!« befahl ihr Thomas.
    »Aber Thomas, so lass sie doch weinen, wenn sie will«, sagte Julia leicht gereizt und bat dann ihren Mann, der Kleinen den Nuggi zu geben, der bestimmt irgendwo in ihrer Trage war.
    Manuel angelte mit seinem Arm über Julias Rücklehne nach hinten, ohne den Schnuller zu finden.

    »Ich glaube, du musst anhalten«, sagte er.
    »Ach nein«, sagte sie, »es dauert ja nicht lang.«
    Mirjam krähte.
    »Miam still sein!« kam es von hinten.
    Manuel versuchte ein Machtwort: »Aber Thomas soll auch still sein.« Das war zuviel für diesen.
    »Toma nicht still!« schrie er und begann nun ebenfalls zu weinen, trotzig und zwängelnd, und so fuhr der dunkelgrüne Wagen bergauf, mit wechselndem Motorengeräusch und stetigem Kindergeheul; Vernunft und Unvernunft waren gleichmäßig über die vier Wesen im fahrenden Gehäuse verteilt, die vernünftigen hatten beide ein Studium hinter sich und beschäftigten sich heute mit der Struktur des Innenohrs und den Lautverschiebungen vom Lateinischen zum Spanischen, und sie verstanden nicht, warum sich die unvernünftigen ausschließlich mit ihrem Missbehagen beschäftigten.
    Langsam wurden sie von ihrem französischen Auto auf den schweizerischen Hügelzug hochgetragen, den der Linthgletscher vor zehntausend Jahren bei seinem Rückzug in die Berge als Seitenmoräne hatte liegen lassen und der heute übersät war mit Terrassensiedlungen, Villen und Einfamilienhäusern, über deren Zäune sich blühende Flieder-, Rhododendron- und Schneeballbüsche neigten und aus deren Gärten aufsteigende Grillräuchlein und das Brummen elektrischer Rasenmäher einen friedlichen Abend Anfang Mai verkündeten. Am frühen Morgen, als Manuel weggegangen war, hatte es noch geregnet, jetzt warfen gerade die letzten Sonnenstrahlen ihre überlangen Schatten auf Dächer, Bäume und Baugespanne, und alles lag wie frisch gereinigt da.

    Um ihre Garageneinfahrt zu erreichen, musste man von einer ansteigenden Nebenstraße scharf links abbiegen und ein kurzes Stück steil hinunterfahren. Thomas und Mirjam, die immer noch unerlöst auf dem Rücksitz jammerten, würden sie später »das Höllentor« nennen.
    Über der Einfahrt und über der bergseitigen Mauer verwehrte dichtes Busch- und Strauchwerk den Blick auf das Rittersche Wohnhaus.
    Es war in den dreißiger Jahren so an den Hang gebaut worden, dass das unterste Geschoss nur die halbe Fläche der zwei oberen Etagen aufwies. Die Tiefgarage war erst später hinzugekommen, was zur Folge hatte, dass der abfallende Garten nun durch eine ebene begrünte Fläche unterbrochen wurde, die einmal ein beliebter Spielplatz der Kinder werden sollte.
    Ein turmartiger Vorbau auf der einen Seite des Hauses mit Erkerfenstern in jedem Stock war ein Versuch des Architekten gewesen, den Verdacht auf Biederkeit abzuwenden. Der Balkon im zweiten Stock war etwas zu eng, ihm fehlte, und das ließ sich auch vom ganzen Haus sagen, ein Stück

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